Am Dienstag habe ich immer noch keine Fortschritte gemacht, was meine Zeichnung betrifft. Lola und Janine sind deshalb ziemlich gestresst, weil sie glauben, es nicht rechtzeitig schaffen zu können, verspätet ein Kostüm herzustellen.
"Der beste Stoff wird bald verbraucht sein!", meinte Lola aufgebracht. "Ganz zu schweigen von den Dekorationen...", ergänzte Janine.
Ich flüchtete also mehr oder weniger zum Speisesaal. Es waren bestimmt noch fünf Minuten, bis das Frühstück offiziell begann, was bedeutete, dass ich diesmal wirklich zu früh anstatt zu spät dran war.
Ich warte nicht auf Grace oder Amara, sondern gebe meinem Hunger nach und lasse mich von ihm in den Saal treiben. Die Herren sitzen schon allesamt, unterhalten sich mit ihren Partnerinnen oder untereinander, wenn sie noch keine haben.
Ich fahre über das orange Kleid mit Goldfäden und steuere dann Henry an. Er erwartet mich bereits lächelnd und ich spüre plötzlich ein nagendes Gefühl in meinem Hinterkopf. Ein schlechtes Gewissen. Weil ich Leander geküsst habe? Nein, halt, er hat mich geküsst.
Und selbst wenn - was soll's? Henry hat bestimmt auch schon ein Mädchen geküsst. Das versuche ich mir zumindest einzureden.
Wieso muss er auch so freundlich und liebevoll sein? Seine Absichten sind ganz eindeutig, er ist an mir interessiert. Wäre es schlimm für ihn, von Leander zu erfahren? Gibt es unter den Männern richtige Rivalitäten?
In dieses Chaos zu geraten, war nie mein Ziel. Ich wollte mich verstellen, gerade so viel bemühen, dass ich bis zum Ende bleiben kann. Und nun ist es viel mehr als das, ich sorge mich um Henrys Gefühle, denke ständig an Leanders Kuss und frage mich, was Kaden eigentlich vor hat.
"Guten Morgen", sage ich und setze mich zu Henry. Neben mir sitzen Rachelle und Loveday, deren Name ich übrigens ziemlich schön finde. Dazu kommt, dass sie nicht so eingebildet wie Victoria und viel entspannter als Grace wirkt. Sie schenkt mir ein kleines Lächeln und widmet sich dann wieder Sir Michael.
"Ihnen auch. Wie geht es Euch? Wir haben uns die letzten Tage gar nicht mehr gesehen."
"Mir geht es gut, danke. Ja, ich war ziemlich... beschäftigt." Ich muss mich dazu zwingen, keine Unsicherheit zu zeigen. Verdammt, Nivea, reiß dich zusammen und mach so weiter, wie du es vor hattest.
"Es freut mich jedenfalls, dass wir uns jetzt sehen." Das Frühstück beginnt und gerade, als man uns ein Körbchen mit Croissants bringt, erscheinen König Lex und seine Königin. Zu den letzten Mahlzeiten waren sie nicht anwesend, auch heute sind sie distanziert und halten ihre Begrüßung eher kurz.
Ich kann sie von meiner Seite des Tisches aus nicht sehen, verrenke mir fast den Hals dabei, einen Blick auf sie zu erspähen. Die beiden sitzen an ihrem eigenen Tisch und frühstücken ganz normal, wie wir alle auch. Sie sind genauso Menschen und nichts an ihnen ist außergewöhnlich, als ihre verdammte Stellung.
Ein ganzes Reich zu regieren, in die Knie zu zwingen - nur wegen ihrer Blutlinie. Sie entschieden über Leben und Tod, vielleicht direkter, als sie denken. Indem sie die unteren Bezirke so leiden lassen, um sich vor den anderen Ländern abzuschirmen, macht sie das zu Menschen, denen ich nichts anderes als Verachtung entgegnen kann.
Ich beginne immer mehr zu begreifen, welchen Hass die Rebellen auf sie verspüren müssen. Und kann ihre Mordlust nachvollziehen. Ich fasse mir an die Kette und denke darüber nach, ob wir nicht lieber einen von ihnen vergiften sollten.
Dann blinzele ich und werde mir meiner Gedanken bewusst. Meine Güte, wann bin ich so geworden? In Crowheart habe ich unsere Regenten auch gehasst, ja, aber dieses Level ist neu.
DU LIEST GERADE
Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...