Athena
"Lady Athena, man erwartet Sie im Büro des Königs. Ich werde Sie dorthin begleiten."
Ich drehe meinen Kopf in Richtung des Sprechers und mache einen jungen Soldaten aus, der neben der Tür zum Unterrichtsraum steht.
Er hat dunkelbraunes Haar und eine auffällige Narbe über dem Schlüsselbein, die sich rosa von dem Rest seiner Haut abhebt.
Ich runzele die Stirn und gehe zu ihm, um den Ausgang frei zu machen. Der Unterricht für heute ist beendet, wir haben uns mit der Außenpolitik Caravels befasst.
Ich bin erschöpft von all den Diskussionen, einige der Mädchen scheinen noch nie das Wort Moral gehört zu haben. Bei Quenla wundert mich gar nichts mehr, außer vielleicht, warum sie immer noch hier ist.
Und Victoria ist so arrogant, dass sie schon gerne Streit anfängt, nur um mich zu provozieren.
Sie weiß genau, dass ich darauf anspringe. Ich kann nicht anders. Seit der Verhandlung habe ich das Gefühl, etwas wieder gut machen zu müssen. Ich war so verdammt eingeschüchtert, dass ich meine Überzeugungen über Bord geworfen habe.
Dabei wusste ich, was von meinem Urteil abhängt. Sobald ich kapiert habe, wie die Richter entschieden und welche Strafen sie verhängten, hätte ich mir einen Schlachtplan überlegen müssen.
Eine Liste in Gedanken vorbereiten sollen, Gründe sammeln, weshalb es falsch ist, Leute für Verbrechen zu ermorden, die im Vergleich zu unseren fast wieder harmlos erscheinen.
Ich werde niemals vergessen, wie Antony mich angesehen hat. Ohne jede Hoffnung, einfach so, als sollte ich es schnell hinter mich bringen. Und ich wusste, ich entscheide über sein Leben. Das hätte mich wach rütteln und von der Angst befreien müssen.
Gott, ich habe auf ganzer Linie versagt. Und Nivea weiß das. Ich habe ihre Blicke gespürt wie Säure, die sich in meine Haut fraß. Sie wollte, dass ich Gnade walten lasse. Und ich wette, hätte ich mich getraut, dann wäre sie mir gefolgt.
Aber ich konnte es nicht. Ich wollte nicht riskieren, mich deshalb unbeliebt zu machen. Das sagt eine Menge über mich aus, finde ich. Zum Beispiel, dass ich nicht so sehr auf Gerechtigkeit aus bin, wie gedacht.
Dass logische Argumente mir nicht über die Lippen kommen, sobald ich die Aufmerksamkeit des Königs auf mir liegen habe.
Jedenfalls dachte ich in den letzten Stunden, mich beweisen zu müssen. Ich weiß, das kommt zu spät. Doch irgendetwas muss ich gegen mein schlechtes Gewissen tun.
Nivea anzusehen reicht schon, damit meine Kopfschmerzen so heftig werden, dass ich am liebsten heulen würde.
Und ich heule nie. Das letzte Mal vor vielen Jahren, glaube ich, als meine Schwester von einem Auto totgefahren wurde.
Madame Clarice ist irgendwann eingeschritten, und sagte, die Diskussion würde zu sehr ausschweifen. Damit meinte sie eigentlich, sie würde nirgendswo hinführen. Stimmt ja auch. Victoria und ich, wir werden uns niemals einig sein.
Ich räuspere mich und frage: "Weshalb? Ist etwas mit meiner Familie geschehen?"
Eigentlich hatte ich vor, mit den anderen Mädchen das Spa auszuprobieren. Dort warten Massagen und Smoothies auf uns, heiße Handtücher und sprudelnde Quellen. Wir mussten uns sogar extra anmelden. Anscheinend ist das Verwöhnprogramm des Palasts so beliebt, dass die Gäste der Königin dort die meiste Zeit verbringen.
Kein Wunder, so viele spannende Sachen gibt es hier auch nicht zu unternehmen.
Der Officer schüttelt den Kopf. Entweder ist er auf den Mund gefallen, oder er darf mir keine weiteren Details verraten. Toll, so ein Adrenalinschub aus dem Nichts. Ich liebe es, nicht zu wissen, was vor sich geht.
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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...