113. Kapitel - Montag (Nivea)

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Nivea

Als ich den Speisesaal betrete, bin ich spät dran. Zu spät, wie ich feststelle. Denn König Lex hat in seiner Mitte Stellung bezogen und starrt mich nun unverhohlen feindselig an. Ich sinke unter seinem Blick zusammen und ziehe die Schultern ein, ganz gleich wie oft ich mir versucht habe einzureden, dass ich ihm stand halten kann.

Es scheint, als wäre meine Abneigung gegen ihn nicht ausreichend, um mich behaupten zu können. Eigentlich sollte ich das können. Mich ihm ebenbürtig fühlen, meine ich. Immerhin ist er nur ein Mensch und ein verdammt schlechter noch dazu.

Im Vergleich schneide ich da eindeutig besser ab. Auch, wenn ich seinen Sohn entführen werde. Trotzdem schaffe ich es nicht, stark zu sein. Quenla hätte sich an meiner Stelle keine Vorwürfe gemacht, nicht mal mit der Wimper gezuckt wahrscheinlich.

Ich sage hätte, weil sie nicht mehr da ist. Weil sie die Selection vor drei Tagen verlassen musste - gemeinsam mit Athena und Willowdeen.

Ich suche schnell nach dem letzten freien Platz im Inneren Kreis und husche dorthin, nichts ahnend, auf wen ich damit zusteuere.

Während mir meine Schritte viel zu laut vorkommen und ich das Gefühl habe, dass alle Augen auf mir ruhen, verfluche ich still meine beiden Zofen. Sie haben meine Halskette mit dem Betäubungsmittel gefunden und weg geräumt, irgendwohin, wo ich sie nicht finden konnte.

Aus panischer Angst habe ich mein halbes Zimmer auf den Kopf gestellt, während meine Zofen in die Schneiderei gegangen sind und glaubten, ich befände mich längst auf dem Weg zum Frühstück.

Nach zwanzig quälenden Minuten habe ich meine Kette gefunden, sie befand sich in einer der unzähligen Schatullen in meinem Kleiderstand. Dort bewahren Lola und Janine alles auf, was nicht zur Ästhetik des Schminktischs passt oder ihn überladen aussehen lassen würde.

Mir ist das völlig egal, und wenn sie noch einmal etwas von meinen persönlichen Sachen durcheinander bringen, können sie was erleben.

Jedenfalls bemerkte ich zu spät, dass es bereits zehn nach neun war. Musste muss beeilen und her sprinten, um noch annährend pünktlich zu kommen. Und dabei wusste ich nicht mal, dass der König uns etwas zu verkünden hatte.

„Nun, da wir endlich alle vollzählig sind, lasst mich Ihnen erklären, was mein Anliegen ist. Zu allererst möchte ich Sie beglückwünschen, es bis in die siebte Woche geschafft zu haben. Nur noch sechsundzwanzig Männer und Frauen sitzen vor mir und ich muss mir eingestehen, dass die Selection doch schneller voran schreitet, als ich es zu Beginn erwartet habe.“

Königin Grenaldine ist nirgends zu sehen, offenbar besteht auch der Besuch des Königs aus einer kurzen Verkündung. In letzter Zeit verbringen sie immer weniger Mahlzeiten mit uns, dabei hätte ich anfangs mit dem Gegenteil gerechnet.

So näher das Ende der Selection rückt, desto mehr Interesse sollten sie doch an uns zeigen. Andererseits bedeuten Beobachtungen dies nicht zwingend. Ich dachte bloß, sie würden ihre zukünftige Schwiegertochter kennenlernen wollen, bevor sich ihr Sohn offiziell zu ihr bekennt und dem ganzen Land verkündet, dass sie seine Auserwählte ist.

Das macht man doch normalerweise so, oder? Ich habe damit nicht viel Erfahrung, schon klar. Ich weiß nur das, was Vater uns über sein Kennenlernen mit Mutter erzählte.

Dass sie sich damals auf einem Straßenfest getroffen haben, dass schon seit zwanzig Jahren nicht mehr veranstaltet wird. Es gab Musik und die Leute trugen ihre buntesten Kleider, ganz egal, wie zerfetzt und abgetragen sie waren. Es ging ihnen um das Miteinander und darum, die Sonnentage zu feiern.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt