105. Kapitel - Vertrauen, oder so

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"Ich bitte um eure Aufmerksamkeit. Ruhe bitte! Also ehrlich, Ruhe jetzt!" Ich zucke unter Auroras schriller Stimme zusammen. Grace schließt brav den Mund und wir drehen uns so, dass wir Aurora und die Felswand vor uns haben.

Sie trägt ein völlig unpassendes Kostüm in grellem Pink und leuchtet förmlich, während man uns in den Schatten stellen und mit dem Gestein verschmelzen sehen könnte. Dazu trägt sie eine Kette mit großen weißen Perlen und passende Ohrringe.

Ich frage mich unwillkürlich, ob sie selbst über ihre Outfits entscheiden darf. Denn mal ehrlich, sie muss genauso frieren wie wir. Noch dazu dürfe sie in den Absatzschuhen ständig aufpassen müssen, in keiner Spalte stecken zu bleiben oder weg zu rutschen.

Aurora ignoriert das Gewusel um uns herum und die Rufe der Crew. Sie hat die Hände vor der Körpermitte gefaltet, weicht nicht mal zurück, als Sindy und ihre Kollegen dicht an ihr vorbei huschen.

Jetzt, wo ich Sindy kenne, sehe ich sie ständig irgendwo.

Aurora nickt zufrieden und ihr Lächeln wird echter. Ihre Gelassenheit hätte ich auch gerne.

"Sehr gut, danke. Meine Damen, ich möchte Ihnen die heutige Aufgabe erklären. Wenden Sie dazu bitte Ihren Blick nach links." Sie lässt uns eine Pause, um genau das zu tun.

Schon gleich nach meiner Ankunft habe ich mir Zeit genommen, die Steilwand genauer zu betrachten. Sie reicht etwa hundert Meter weit nach oben und ist größtenteils flach, jedenfalls viel weniger gezackt als der Rest des Berges.

Eine große Gruppe von Menschen sammelt sich an seinem Fuß. Sie halten Seile in ihren Händen, die irgendwo dort oben festgemacht wurden. Mir wird schon flau im Magen, nur wenn ich hoch sehe.

Auf einer Plattform, auf der Hälfte der Wand, mache ich mindestens zwei gelb gekleidete Männer aus, die von hier unten viel kleiner aussehen, als sie es sind. Das ist kein gutes Zeichen. Mein Puls beschleunigt sich in böser Vorahnung.

"Ich denke, Sie sind sich bewusst, was Sie tun müssen. Jede von Ihnen wird dort hinauf klettern. Nur wird es nicht jeder von Ihnen gelingen. Der Aufstieg ist schwierig und erfordert gewisse sportliche Voraussetzungen." Die ich nicht habe.

"Deshalb steht Ihnen Hilfe zur Verfügung. Dreimal dürfen Sie raten, um wen es sich dabei handelt." Aurora lächelt und wirkt dabei wie eine Katze, die sich freut, dass ihr eine Maus in die Falle gegangen ist.

"Ach nein", flüstert eines der Mädchen irgendwo hinter mir. "Soll er mich in Ohnmacht fallen sehen? Zweihundert Meter tief?" Okay, das ist übertrieben. Und selbst wenn wir fallen, wohl kaum lässt die Produktion zu, dass wir unten zerschellen.

Aber ihre Hysterie ist dennoch ansteckend.

Die Mädchen tuscheln und schauen sich nach den Kandidaten um. "Ich verstehe nicht, soll er mich währenddessen etwa halten?" "Es ist so unfair, wir haben schon einen harten Test hinter uns, und jetzt das?!" "Was, wenn mir dort oben ein Stein auf den Kopf fällt? Werde ich dann sterben?"

Auch ich werde nervös. Weniger wegen der teilweise echt hohlen Sprüche, sondern mehr wegen meinen körperlichen Grenzen, die ich gut kenne. Mit der Höhe ist das so eine Sache. Ich kann sie ertragen, wenn ich muss.

Zum Beispiel auf dem Flug von Medea nach Futuria, da störte sie mich weniger als die Tatsache, keine Kontrolle über die Flugmaschine zu haben. Auch bei dem Ausflug in die Berge habe ich keine Probleme gehabt.

Doch die Kletterei kommt noch dazu. Ich muss mich an schroffen Felsen hoch ziehen und genau aufpassen, wohin ich trete. Außerdem muss ich unbedingt beide Prüfungen bestehen, ich kann mir kein Versagen leisten.

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