Selection - Futuria

6. Kapitel - Einzug ins Schloss

Ich dachte, die Autofahrt wäre seltsam, aber mit einem Flugzeug zu fliegen bereitet mir derartige Übelkeit, dass mir die Stewardess eine Tablette zur Beruhigung anbietet. Ich nehme sie und presse wieder die Lippen aufeinander, krampfhaft darauf bemüht, meinen Mageninhalt nicht auf den schicken Teppich zu verteilen, der den Boden dunkelblau färbt.

Dass Aurora sich immer wieder zu mir umdreht und etwas von Futuria vorschwärmt, hilft nicht wirklich, mich auf das Nicht-Übergeben zu konzentrieren. "Zuerst wird man dich Kamera tauglich machen. Das bedeutet, eine Dusche, ein neuer Haarschnitt und Locken, Make-up und ein Kleid, dass die Zuschauer hoffentlich begeistern wird. Um Zwischenfälle zu vermeiden, wird die erste Sendung nicht live ausgestrahlt sondern wie eine Serie abgedreht. Erst, wenn ihr euch gut zu benehmen wisst und selbstsicherer seid, wird es auch Publikum geben. Aber keine Sorge, es wird Lehrer geben, die euch alles beibringen, und Luna, die Organisatorin, wird euch bei jeder Aufgabe und zu allen Terminen begleiten."

Die Worte kommen mühsam und verzerrt aus mir heraus. "Was denn für Aufgaben?" Sie zieht ihre perfekt gezupften Brauen hoch und scheint mich sowas wie Echt jetzt? zu fragen. "Um eine geeignete Königin auszuwählen müsst ihr schon mehr tun, als nur hübsch auszusehen. Ihr werdet in verschiedenen Bereichen getestet; Intelligenz, Durchhaltevermögen, kulturelles Wissen, Kommunikation und noch ein paar mehr. Zuerst wird man euch einweisen, keine Sorge. Ihr werdet gemeinsam an einem Benehmens Kurs teilnehmen und abends das erste Mal der königlichen Familie vorgestellt. Ihr werdet gemeinsam speisen und dann machen die Leute vom Fernsehen ein paar Aufnahmen." Nach der Hälfte bin ich nicht mehr mitgekommen, aber im Moment würde es mir völlig reichen, wieder Erde unter den Füßen zu haben.

"Aha", mache ich trotzdem. Ihre Mundwinkel verziehen sich nach unten. "Es geht dir echt übel, was? Halte durch, nur noch eine kleine Weile, dann landen wir direkt in Futuria. Ich kann es kaum abwarten, dich zu den anderen zu bringen."

Diese kleine Weile entpuppt sich zu ganzen dreieinhalb weiteren Stunden, in denen ich dank der Tablette schlafe und nichts von Turbulenzen oder der Ladung mitbekomme. Außer uns sind keine weiteren Gäste geflogen, allerdings gab es auch nur sechs weitere Plätze, die einem Sessel schon viel näher kommen als einem normalen Sitz. Das muss der Luxus sein, mit dem alle Bezirke ab Fünf aufwärts leben.

Aurora weckt mich und begleitet mich hibbelig den Gang entlang zur Brücke, durch welche wir in den Flughafen Fururias gelangen. Ich kann es kaum glauben, dass wir uns noch immer im selben Land befinden, wie zuvor. Die Halle ist riesig und der Boden aus teuer aussehendem Holz, die Wände sind aus riesigen Glasfenstern mit bläulicher Tönung zusammengesetzt. Ich erkenne Palmen, die im Wind wiegen, und Sandsteinpflasterwege, die durch eine Gartenanlage führen, die so groß wie der Flughafen selbst zu sein scheint.

Staunend schaue ich mich um, versuche die Größe zu begreifen und mir dem Geld bewusst zu werden, mit dem dieses Gebäude bezahlt wurde. Es müssen Unmengen gewesen sein, es gibt fahrende Treppen und kleine Geschäfte, die mit allen möglichen Dingen ausgestattet sind - selbst Unterwäsche. Wieder gibt es niemanden sonst außer mich, Aurora, Derek, und drei Männer in Anzügen, die sich irgendwann zu uns gesellt haben. Ich gehe davon aus, dass es Wachen sind, auch wenn ich sie nicht mit den Männern vergleichen kann, die bei uns in den Dienst berufen werden.

Auroras Absätze klackern und hallen wider, die Rollen meines Koffers übertönt sie locker. Wir laufen minutenlang, ohne dass ein Ausgang in Sicht kommt. Erst aufgeregtes Stimmengewirr, welches lauter wird je näher wir kommen, deutet auf ein Ende hin. Tatsächlich biegen wir bloß um eine weitere Ecke, und hinter Absperrungen drängen sich die Massen, mit Schildern in den Händen und Kameras. Unser Weg führt direkt durch sie hindurch, ein roter Teppich ist bis zum endgültigen Ausgang gerollt worden.