51. Kapitel - So eine Ehre

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"Du kleines Miststück", sagt Grace und grinst breit. "Hast du es also wirklich geschafft."

"Ich habe den Ring ja nicht mal gesucht", sage ich zu meiner Verteidigung. Wir sitzen gemeinsam beim Abendessen, mir gegenüber befindet sich Lucas und Theo bei Grace. Die Männer ignorieren wir gutmütig, obwohl diese unser Gespräch verfolgen.

"Natürlich nicht. Bekommen hast du ihn trotzdem." Sie seufzt dramatisch. "Er sieht wundervoll aus. Und er hat der Königin gehört! Wie viel er wohl wert ist?"

"Sie könnte sich davon ganz Crowheart kaufen - so viel ist er wert", lästert ein Mädchen irgendwo außerhalb meines Sichtfeldes. Besser so, sonst würde es mir viel zu leicht fallen, sie mit einem Brötchen zu bewerfen. Steinhart diese Dinger, deshalb sollen wir sie wohl in Suppe tunken.

Grace legt ihre Hand auf meine, schaut an mir vorbei und erhebt die Stimme. "Das beweist nur die unfaire Verteilung der Güter, du hast Recht Madison." Sie lächelt zufrieden, als Madison beleidigt schnaubt.

"Egal, wie viel er wert ist. Das viel wichtigere Thema ist: Ich kann nicht tanzen. Was soll ich denn übermorgen machen? Schon ohne Fäden im Arm fällt mir das Rumgehüpfe schwer."

Grace reißt die Augen auf. "Aber du sagtest doch, es wäre nur ein Kratzer! Sie hat dich so schlimm erwischt?" Da fällt ihr glatt die Gabel aus der Hand. Warte, wir essen doch gerade Suppe. Wozu also-? Ach, es ist eben Grace.

"Es geht schon", erwidere ich. "Nur das tanzen fällt mir schwer."

"Hm. Du bist mir Eine. Nur du kannst so ein Pech haben, ausgerechnet jetzt für den zweiten Tanz ausgewählt zu werden." Mitleidig lächelt sie. "Du machst das schon. Weißt du bereits, mit wem du tanzen willst?" "Nein. Spielt das eine Rolle?"

Grace sieht aus, als würde sie mich am liebsten schlagen wollen. Theo hüstelt, muss sein lachen zurückhalten. Na vielen Dank auch.

"Natürlich! Denk nur an die vielen Kameras. Ganz zu schweigen davon, dass du dich für immer an diesen Moment erinnern wirst. Stell dir vor, irgendwann erzählst du deinen Kindern davon, wie du ihren Vater kennengelernt hast."

Mit geröteten Wangen senke ich den Blick. Kinder. Ich habe mir immer gesagt, ich würde nie welche bekommen wollen. Weil ich ihnen das Leid in Crowheart nicht antun möchte. Der Gedanke, hier einen Mann zu finden, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen und Kinder bekommen werde, stellt etwas seltsames mit mir an. Verlegen knete ich meine Hände. "Wir haben uns schon vor Wochen alle kennengelernt", erinnere ich Grace. Keine intelligente Art, dem Thema auszuweichen, schon klar.

Sie stöhnt, schiebt sich eine Fuhre Salat in den Mund und kaut, als würde sie jede Sekunde anstrengen, in der sie nicht mit mir diskutieren kann.

"Du schaffst es echt, jegliche Romantik zu zerstören. Ich meine ja nur: So ein Tanz ist was besonderes. Nicht nur, wegen der schönen Kleider." Sie schielt zu Theo, der sich mittlerweile mit Lucas unterhält. "Wir haben in diesen zehn Wochen ganz besondere Chancen. Wir lernen außergewöhnliche Menschen kennen. Genießen wir es."

***

Am Abend stehe ich auf meinem Balkon. Ich habe eine Decke um den Schultern liegen, trage darunter ein luftiges Hemd für die Nacht. Die Decke reicht mir, denn ich will die Kälte spüren. Sie ist beißend, unbarmherzig und doch so lebendig. Weil sie mich lebendig fühlen lässt.

Der Mond scheint hell genug, um den Garten in silbernes Licht zu tauchen. Nach dem Essen war ich zu erledigt, um wieder in den Salon zu gehen, wo die anderen den Tag ausklingen lassen. Auf die neidischen Blicke der anderen Kandidatinnen kann ich gut verzichten, sie starren den Ring an meiner Hand an, als hätte er magische Kräfte.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt