78. Kapitel - Schnell

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„Du weichst mir nicht von der Seite, verstanden?“ Andrew nimmt meine Hand, sieht sich hektisch um und legt etwas hinein. Kühles Metall, klein. Die Form ist mir bekannt.

„Woher hast du-“ „Spielt keine Rolle. Mach sie dran. Schnell.“

Meine Finger zittern, als ich versuche, den Verschluss der Kette zu schließen. Das Häkchen finden die Öse nicht, also wirbelt Andrew mich herum und erledigt es für mich. „Man“, murmelt er, kaum hörbar gegenüber dem Lärm.

„Was ist mit dir? Hast du deine Brosche dabei?“, frage ich nervös.
„Mach dir um mich keine Gedanken, mir droht keine Gefahr.“

„Warum nicht? Sie können nicht wissen, wer du bist.“

„Wir gehen zusammen. Sie kennen das Symbol. Verschonen uns. Hoffentlich.“

Er wartet nicht länger, sondern zieht mich mit sich. Ich bin froh, dass er mich festhält, denn ohne würde ich ihn sofort verlieren. Die Menschen sind durcheinander, haben Angst, sind angetrunken, müde, schlecht gelaunt. Keine guten Voraussetzungen.

Ich werde regelrecht eingequetscht, niemand nimmt Rücksicht, aber Andrew auch nicht. Unerbitterlich schiebt er sich voran, weicht Wachen aus und ihren groben Handgriffen, die die Angelegenheit beschleunigen wollen.

Zwischen all den Menschen komme ich mir wie eine Ertrinkende vor.

Es riecht nach Schweiß und Alkohol, als wir den Saal endlich verlassen, sind Zofen gerade damit beschäftigt, alle Fenster zu verschließen. Und damit meine ich nicht, die Griffe nach unten zu drehen. Sie haben Schlüssel, verriegeln sie. Schließen uns wirklich ein.

„Was ist mit Grace? Oder Amara und Athena? Wir müssen zu ihnen!“

„Geht nicht. Sie zu suchen, dauert zu lange.“
Ich runzele die Stirn. „Wieso suchen, Grace wohnt nicht weit entfernt von mir. Gehen wir nicht zu meinem Zimmer?“

„Zu gefährlich. Die Etage sollten sie als erstes absuchen. Wir müssen der Masse folgen. In ihr unter gehen.“

Das ist verrückt. So verrückt. Wie konnte es dazu kommen? Mein Blick huscht wild umher, immer auf der Suche nach Personen, die verdächtig wirken könnten.

Wie eine verdächtige Person aussieht? Schwarze Kleidung, grimmiger Ausdruck und wahrscheinlich bewaffnet.

„Es gibt viele Männer und Frauen in unserem Alter. Woher wollen sie wissen, dass sie nicht die falschen finden?“

„Wahrscheinlich lernen sie unsere Gesichter auswendig. Das Problem ist, dass wir uns darauf nicht verlassen können. Deshalb die Kette. Aber auch sie reicht nicht. Wir müssen…ach scheiße.“ Er reibt sich über die Stirn, bleibt abrupt stehen.

Die Leute rämpeln uns rücksichtslos an, einige kräftiger als andere. Mein Oberkörper wird bald von blauen Flecken übersät sein. Egal.

„Was? Was ist?“

„Ich habe keine Ahnung, was wir tun sollen. Wir wissen ja nicht mal, ob die Rebellen noch da sind.“

Eine Frau hat ihn gehört. Sie reißt die Augen auf, und ich auch. „Rebellen?“, ruft sie. „Es sind Rebellen im Gebäude?“ Hysterisch schlägt sie um sich, will voran kommen.

Doch wir bewegen uns langsam, zu viele Menschen verstopfen die Gänge. Immer wieder fallen Vasen um und gehen zu Bruch, weil die Tische angerempelt werden.
Das Chaos nimmt zu.

War es eben noch kontrolliert, artet es nun aus. Die Menschen drehen durch. Sie schreien und wollen weg, verpassen sich Hiebe und schieben ihre Vordermänner nach vorn, obwohl diese nirgendswo hin können.

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