25. Kapitel - Recherche

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"Oh nein, nein.", sage ich, als ausgerechnet Leander sich mir gegenüber setzt. Er lehnt sich vor, stützt die Arme auf die Tischplatte. Da ich mit Cassy geredet habe, ist mir zu spät aufgefallen, das er auf mich zugesteuert kam.

"Nivea. Lasst es mich erklären." Am liebsten würde ich aufstehen und mir einen anderen Platz suchen, denn für mein Befinden habe ich heute schon mehr als genug Zeit mit Leander verbracht.

Was mich wirklich ärgert, ist, dass ich mich von ihm überhaupt so beeinflussen lasse. Es sollte mir egal sein, mit wie vielen anderen außer mir er sich noch trifft. Es ist ja nicht so, als läge mir irgendetwas an ihm oder dem Wettbewerb.

"Tut Euch keinen Zwang an.", gebe ich gereizt zurück. Sir Andrew, der bei Cassy sitzt, grinst plötzlich.

Leander atmet hörbar ein und sucht dann meinen Blick. "Das vorhin, war ein Scherz. Ich dachte, das wäre eindeutig." Man bringt uns die Vorspeise (Baguette mit Tomaten und Kräutern) und ich nutze dies, um eine Minute lang geschockt zu sein.

So ernst wie jetzt habe ich Leander zuvor eher selten erlebt, eben nur wenn es um wichtige Themen ging. Bedeutet das nun etwa, dass...? Wenn ich genauer darüber nachdenke, ergeben seine Worte absolut Sinn. Sein Unterton war neckisch, nicht arrogant. Und wie er sich danach verhalten hat, müsste mich ebenfalls ins zweifeln gebracht haben.

Man, ist das unangenehm. Sogar Grace und den Mädchen habe ich davon erzählt, wie genervt ich deshalb war. Mittlerweile fühle ich mich nur noch dumm.

Andererseits - was kann ich dafür, wenn er sich solche Scherze erlaubt, du missverständlich wirken?

"Tja, nein, das war er nicht. Aber auch ich muss mich entschuldigen. So zu reagieren, stand mir nicht zu. Es ist schließlich Eure Sache, mit wem Ihr Euch trefft.", sage ich betont gleichgültig. Auch wenn es mich erleichtert, dass er nicht der Aufreißer ist, wie ich kurzfristig befürchtet habe.

Leander lehnt sich zurück und zieht die Brauen zusammen. "Da haben Sie recht. Genauso wie es mich nichts angeht, mit wem Ihr Euch trefft.", erwidert er trocken. Ich schlucke hart. Diese Reaktion habe ich nicht erwartet. Obwohl er nur die Wahrheit gesprochen hat.

"Richtig.", sage ich trotzdem. Vielleicht gefällt mir die Richtung unseres Gespräches nicht, aber sie ist nötig. Und, ganz ehrlich: Sobald Jake und die anderen den Prinzen entführt haben, werde ich Leander sowieso nie wieder sehen. Deshalb ist alles, was hier passiert, eigentlich völlig unwichtig.

Wir speisen, ohne weitere Gespräche zu führen. Es liegt eine Spannung zwischen uns in der Luft, die mir unwohl werden lässt, und die mich dazu bringt, Leander immer wieder anzusehen. Was genau ich von ihm erwarte, weiß ich selbst nicht.

Irgendwann gebe ich es auf, mich schuldig zu fühlen, und gebe Amara links neben mir bescheid, dass ich schon mal zurück auf mein Zimmer gehe. Sie ist ganz vertieft in ein Gespräch mit Sir Theo, nimmt mich nur am Rande wahr.

Ich erhebe mich also und schiebe meinen Stuhl ran, setze einen gekünstelten Gesichtsausdruck auf und knickse. "Einen schönen Abend, Sir Leander. Ich werde mich nun zurückziehen." Auf seine Antwort verzichte ich, auch wenn ich vermute, dass sie mir sowieso nicht gefallen hätte.

Die Schritte zum Ausgang kommen mir länger vor als sonst, was nicht an meinem Knöchel liegt. Schon wieder bin ich die erste, die das Abendessen verlässt. Siren lässt sich seit dem Vorfall alle Mahlzeiten aufs Zimmer bringen, weshalb wir sie kaum mehr zu Gesicht bekommen.

Auf den Flur fühle ich mich seltsam allein, gehe aber den Weg bis zu den Treppen zurück. Erst da fällt mir eine sinnvollere Abendbeschäftigung ein, und ich ändere die Richtung. Statt zu meinen Gemächern abzubiegen, steige ich noch eine weitere Treppe hinauf, dann mache ich mich auf zur Bibliothek. Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch geöffnet hat, beschließe aber, es herauszufinden.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt