121. Kapitel - So einige Tücken

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Nivea

Fünfzehn Minuten später tragen wir eng anliegende Hosen, zwei Paar übereinander, sowie einen Pulllover und eine schwarze Jacke mit Fütterung. Sie soll wasserabweisend sein, beziehungsweise schlammabweisend, doch der Stoff fühlt sich zu weich an.

Zu durchlässig, irgendwie.

Wahrscheinlich sind wir durchnässt, noch bevor wir die zweite Etappe überhaupt erreicht haben.

Optisch sieht der Parkour nicht besonders schwierig aus, es gibt Schlammbecken, Klettersteige, Netze und diverse andere Hindernisse. Alle von ihnen sollten zu überwinden sein, auch wenn ich mir bei manchen noch nicht sicher bin, wie.

Am nervigsten ist der Regen, der eingesetzt hat. Noch sind es nur leichte Tropfen, kaum so groß wie ein Marienkäfer, doch wenn man sich die graue Wand über uns ansieht, dann lässt sich erahnen, dass noch mehr kommt.

Luna hat sich gleich einen Regenschirm geschnappt, er ist durchsichtig und hat pinke Tupfen, was mit dem Palast als Hintergrundkulisse denkbar witzig aussieht. Sie hält ihn dicht an ihrem Körper, als befürchtete sie, ein Angestellter der Filmcrew könne ihn ihr entreißen.

Ich schlinge die Arme um mich und trete von einem Fuß auf den anderen. Mir ist nicht kalt, aber ich bin aufgeregt. Der erste Teil der Prüfung war okay, war er wirklich.

Ich habe mein Bestes gegeben, mehr sogar, und weil dieses Mal Leander meine Aufsichtsperson war, wurde ich auch nicht abgelenkt. Er hat mir außerdem dabei geholfen, zwei Fragen zu beantworten. Eine zur Ökonomisierung, die andere zu politischen Außenvertretern, dessen Namen mir entfallen waren.

Komisch, eigentlich. Nicht das mit dem Vergessen, sowas kommt vor, aber ich meine, dass Leander statt Kaden bei mir gesessen hat.

Normalerweise bekommen wir immer dieselben Kandidaten zugewiesen. Schon bei der ersten Prüfung vor sechs Wochen war Kaden meine Hilfestellung. Oder doch nicht? Ich halte darin inne, Grace‘ Locken zu entwirren und denke nach.

Sie dreht den Kopf, fragt ob ich fertig bin, doch ich hinke noch meinen Gedanken hinterher.

Ich bin total durch den Wind. Muss andauernd an Kadens Besuch gestern denken. Dabei wird mir wohlig warm und es kribbelt in meiner Magengegend, auch wenn ein Teil von mir noch daran zweifelt, dass er es ernst meint.

Als er mich am Dienstag versetzt hat, war ich total fertig. Musste Knox eine Ausrede auftischen, von wegen ich hätte was Falsches gegessen und würde mich nur um Kaden sorgen, weil ich gesehen hätte, dass er die Mangos auch hatte.

Ich bin mir nicht sicher, ob er mir geglaubt hat, aber den restlichen Tag habe ich so gut wie möglich versucht, mir nichts anmerken zu lassen und gute Laune vorzutäuschen. Was blieb mir auch anderes ürbig? Knox die Wahrheit zu sagen? Bloß nicht.

Küssen wollte er mich jedenfalls nicht. Zum Glück. Das hat dann Henry übernommen, gestern, und das reichte mir auch. Man oh man. Es wird wohl langsam ernst.

Trotzdem, sollen die kommenden drei Wochen ausreichen, um dem Partner fürs Leben zu finden?

Ich schiele zu Zoe und erwische sie dabei, wie sie mich ebenfalls angesehen hat. Sofort dreht sie den Kopf weg und verschränkt ihre Arme, schaut überall anders hin, als zu mir. Nicht gerade unauffällig.

Ich senke den Blick und beiße mir auf die Zunge. Gerne würde ich etwas zu ihr sagen. Etwas aufmunterndes, auch wenn ich nicht weiß, was.

Sie sieht so allein und verloren aus. Oder bilde ich mir das bloß ein, weil ich ein schlechtes Gewissen habe? Mein Urteilsvermögen ist definitiv getrübt und nicht mehr so klar, wie anfangs. Das würde ich gerne ändern, nur müsste ich dafür erst mal wissen, was ich will.

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