Etwa vier Stunden später finde ich mich im Frühstückssaal wieder. Ich habe ausnahmsweise keinen Hunger, und sitze nur da und trinke mein Zitronenwasser. Mir gegenüber lächelt Henry, er hat seinen Kopel mit der Faust unter dem Kinn abgestützt und lauscht einem Gespräch von Theo und Lucas.
Dass er und die Jungs beieinander sitzen, hatte ich nicht für einen Zufall. Henry ist nicht unbedingt befreundet mit Lucas, in den letzten Wochen habe ich sie fast nie miteinander reden sehen. Die Konstellation auf dem Ball erschien mir schon komisch.
Er muss sich extra neben Theo gesetzt haben, damit ich bei Grace sein kann. Das ist wahnsinnig nett und wirklich aufmerksam. Blöderweise kann ich mich kaum auf ihn konzentrieren, weil Kaden nur drei Plätze neben ihm sitzt und eine eisige Kälte ausstrahlt.
Wann immer ich heimlich zu ihm schaue, zuckt sein Kiefermuskel verdächtig. Als würde er meine Blicke spüren. Das kann nur nicht sein, denn wir leben in keiner übernatürlichen Welt, in denen Leute fliegen oder Gedanken lesen können.
Wir leben in der Realität. Und in dieser ist es nun mal so, dass wir beide nicht zusammen sein können. Höchstens, wenn das Königspaar gestürzt wurde und die Rebellen demokratisch einen neuen Herrscher wählen lassen haben (ich hoffe, dass es so kommt).
Aber wer würde dann noch mit mir zusammen sein wollen? Nach diesem Verrat? Es ist hoffnungslos.
Grace stupst mich an und ich reiße mich von Kaden los, schon wieder. Ich bin ein schlimmer Fall, komme mir vor wie eine Stalkerin.
"Du sabberst ja fast", flüstert sie. Wie auch immer Grace es mitbekommen hat, sie hat gemerkt, dass etwas zwischen uns vorgefallen ist. Am Dienstag habe ich kurz darüber nachgedacht, sie in unser Drama einzuweihen. Ein typisches Mädchengespräch zu führen, wie ich es schon immer tun wollte.
Nur müsste ich ihr dann erklären, weshalb ich ihn vor den Kopf gestoßen habe. Zweimal. Und auf lange Sicht würde ich nicht drum herum kommen, ihr von meiner Mission zu erzählen.
"Gar nicht", gebe ich zurück. "Das wäre eklig."
"Ich sagte ja auch fast." Ihr Mundwinkel zuckt. "Was ist los? Wieso isst du nichts?"
"Kein Hunger."
"Wow, wer hätte das gedacht. Ich werde mich präziser ausdrücken: Wieso hast du keinen Hunger?"
Ich seufze und schaue sie an. Ihre Augen sind wachsam und neugierig. Keine Chance, dass sie aufgeben wird.
"Ich war schon vorhin etwas essen. Lasagne und Ananaskuchen, um genau zu sein."
Ihre Mundwinkel verziehen sich angeekelt nach unten. "Igitt. Wer macht denn sowas?"
Entgeistert blinzele ich. "Entschuldige bitte? Ich habe seit gestern Mittag nichts mehr gegessen. Als ich um vier Uhr aufgewacht bin, musste ich-" "Quatsch, davon rede ich gar nicht. Der Ananaskuchen. Wer bäckt sowas?"
Ich könnte sie erwürgen. Ständig schweift sie ab und konzentriert sich auf Details, die jedem anderen egal wären.
"Keine Ahnung, Grace! Er war gar nicht so übel. Was haben nur alle gegen Ananas?"
Sie befeuchtet sich die Lippen und piekt mit ihrer Gabel ein Stück Obst an. Es ist eine lila Melone in Herzform. Davon stapeln sich massenhaft in goldenen Schalen, anscheinend war einer der Köche heute ganz besonders kreativ.
"Sieh mal: Dieses Ding ist lila und sollte eigentlich rot sein. Vielleicht auch gelb, das hatten wir schon. Aber sie hat die Farbe meiner Schuhe. Das ist seltsam und der Geschmack ist befremdlich. Er erinnert mich an Schuhcreme. Trotzdem würde ich tausend Mal lieber einen Kuchen mit lila Melone essen, als Ananas."
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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...