94. Kapitel - Angelegenheiten eines Herrschers

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Der Prinz

Als mich Vater etwa eine Stunde vor der live Show zu sich rufen lässt, bin ich ehrlich überrascht. Ich hätte nicht mehr damit gerechnet, dass er sein Büro heute noch verlässt. Aber das tut er, wir treffen uns auf dem Dach des Palasts und er beauftragt zwei Wachen damit, den Weg hier hoch zu versperren.

Es ist windig, aber auch warm. Ich trage bereits mein dunkelblaues Hemd und habe die Haare von meiner Stylistin Poppy machen lassen. Sie war entsetzt, als ich eröffnete, früher aufbrechen zu müssen. Eure Haare! Ich muss sie in Form bringen! Die Spitzen sind viel zu lang!

Spontan sind ihr noch zehn weitere Gründe eingefallen, um mich bei sich behalten zu wollen. Ich glaube, sie ist ein bisschen verknallt in mich. Oder ihren Job als eine der wenige Personen, die meine wahre Identität kennen.

Ich folge Dad zum Rand, wo er die Hände auf das Geländer gestützt hat, und nachdenklich auf Futuria hinab schaut.

Keine Stelle eignet sich dafür besser. Die ganze Stadt erstreckt sich vor uns, liegt uns zu Füßen, wie er sagen würde. Ein sehr romantischer Ausblick, wenn man ihn mit dem richtigen Mädchen verbringt.

Die Sonne steht bereits tief, der Himmel glüht rot und orange. So ist das in den kalten Monaten. Die Tage werden wieder länger, aber nur sehr langsam. Es bleibt genug Dunkelheit, um unsere Gedanken zu trüben. Vaters wohl auch.

"Du wolltest mich sprechen?"

Es ist ungewohnt, ihn so zu sehen. Er ist oft wütend, rastet aus und dann will niemand in seiner Nähe sein. Ich auch nicht. Mein Vater ist eben der König. Auf seinen Schultern lasten Steine in der Größe von verspiegelten Hochhäusern, die nun heftig reflektieren.

Er hat viel Verantwortung, und niemand würde ihm Vorwürfe machen, wenn er ein paar davon abgibt.

An mich, zum Beispiel. Nur wären wir da wieder bei seinem alt bekannten Problem, seinem Stolz.

Zum Beispiel als König Sergio und seine Frau bei uns erschienen sind, da habe ich mich für ihn geschämt. Mein Vater hat nämlich die dumme Macke, dass er zuerst seine Hand reichen muss, wenn es ums Händeschütteln geht.

König Sergio war mehr als verwirrt, als der König Caravels die seine ablehnte und ihn so passiv aggressiv anschaute, als hätte er einen ernsthaften Fehler begangen. Das ist nur eines seiner Probleme, und sie alle entstammen seinem Größenwahn.

Aber jetzt gerade ist er anders. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet, weit weg, noch über Futuria hinaus.

Er antwortet nicht gleich, sondern kreist mit dem Kopf und richtet seine Augen erst dann auf mich. "Ich weiß, ich habe gesagt, ich werde mich nicht in deine Selection einmischen." Eine Lüge, das wusste ich von Beginn an.

Er und seine Berater haben nicht nur die meisten Kandidatinnen ausgesucht, sondern auch die Prüfungen organisiert und mir Vorschläge gemacht, welche Mädchen zuerst gehen sollen. Dass sie den niedrigsten Bezirken angehörten, hat mich nicht überrascht, aber ich war zu feige um etwas dagegen zu sagen.

Ich hebe eine Augenbraue und lehne mich mit der Hüfte gegen das vergoldete Geländer. Es gefällt mir, wie altmodisch unser Palast ist. Sehr im Kontrast zu ganzen Großstadt, ich weiß, und das ist wunderbar. Nur der viele Prunk ist unnötig.

"Das hast du doch schon."

"Lass uns jetzt nicht darüber streiten."

"Das will ich nicht, ich sagte nur-" "Ruhe jetzt. Ich möchte etwas mit dir besprechen. Es geht um eine deiner Kandidatinnen."

Meine Nasenflügel blähen, schon wieder bricht er mitten in der Diskussion ab und lässt es aussehen, als wäre ich ein dummes Kind, dass seine Grenzen nicht kennt. Ich scanne sein Gesicht nach dem Anflug eines schlechten Gewissens deshalb.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt