46. Kapitel - Schlacht

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Nach der Ansprache des Königs kann ich es kaum erwarten, wieder in mein Zimmer zurück zu kehren. Grace hat sofort bemerkt, wie geladen ich war, und sich nicht abwimmeln lassen.

"Renn doch nicht so! In Absatzschuhen ist das gefährlich!", ruft sie mir hinterher. "Ich habe Ballerinas an!", rufe ich und drehe den Kopf, um über meine Schulter zu sehen. "Außerdem bin ich viel zu sauer, um hinzufallen."

Die beiden Wachmänner vor meiner Tür wirken irritiert, es sind wie immer Officer Fortune und Officer Summer. "Das macht keinen Sinn, Nivea", höre ich Grace hinter mir entnervt sagen. Ich presse die Lippen aufeinander und stürme in mein Zimmer.

Meine Zofen sind noch nicht wieder hier, vermutlich suchen sie mir ein neues Kleid raus oder was auch immer. "Lass mich, Grace, ich will allein sein!" Ich wirbele zu ihr herum.

Sie verschränkt die Arme vor der Brust und rührt sich nicht von der Stelle. "Nicht, wenn du so labil bist. Du musst dich beruhigen! Auch wenn du jeden Grund hast, wütend zu sein. Ich verstehe dich."

Das ist zum verrückt werden. Weil ich irgendetwas brauche, um mich abzureagieren, ziehe ich an den Nadeln in meinem Haar und rupfe sie eine nach der anderen heraus. Das Ziepen tut gut, doch Grace tritt zu mir und fängt meine Hand in der Luft ab.

"Lass das, du tust dir doch weh", sagt sie mit einem besorgten Ausdruck. Frustriert schnaube ich. "Das ist nichts. König Lex hat mein Zuhause als einen Ort des Grauenes, der Bestrafung bezeichnet! Er weiß ganz genau, dass es seine Schuld ist, wie es dort zugeht. Er stellt es so dar, als wäre Medea ein Ort der Schande, dabei leben dort Leute wie du und ich. Verdammt, ich lebe ja dort!"

Ich erwarte, dass sie erneut versuchen wird, die Krone zu verteidigen. So, wie sie es immer tut. Wie es alle hier tun, mit wenigen Ausnahmen.

Stattdessen senkt sie den Kopf und ihre roten Haare rutschen vor ihr Gesicht. "Du hast Recht. Es ist furchtbar. Niemand sollte so leben müssen. Besonders nicht, wenn in Futuria der Überfluss herrscht." Überrascht öffne ich meine Faust, die ich vor Anspannung geballt habe.

"Die Regierung könnte dafür sorgen, dass sich das ändert. Und Nivea, ich wünschte, sie würde es tun! Aber ich glaube nicht daran. Weder König Lex noch Königin Grenaldine würden ihr Leben im Luxus aufgeben. Das ist die harte Realität, und sie frisst genauso an mir, wie an dir."

Sie zieht die Schultern ein, ich führe sie zu meinem Bett und wir setzen uns. Als sie hoch schaut, entdecke ich Tränen in ihren Augen.

"Jeden Tag sehe ich vor mir, was auch mein Schicksal hätte werden können. Ich befehlige meine Zofen, dabei kommen wir aus dem selben Bezirk. Ich sollte ihnen gleich gestellt sein, aber das bin ich nicht. Nicht hier, nie wieder. Das macht mich fertig. Ich versuche nur, wie die anderen Mädchen zu sein und mir nichts anmerken zu lassen."

Sie wischt sich mit den grünen Ärmeln ihres Kleides über die Wangen, um sie zu trocknen. Dann lächelt sie plötzlich. "Stell dir nur vor, wenn eine von uns gewinnen wird. Was wir alles verändern könnten, wenn wir es schaffen."

Ich muss mir eingestehen, dass ich sie falsch eingeschätzt habe. Ich dachte immer, sie würde nur die Krone interessieren. Weil sie Prinzessin werden will und den ganzen Prunk so liebt. Dabei hatte auch sie ihre Gründe.

Ich bin so stolz auf sie, dass mir ebenfalls die Tränen kommen. Wir fallen uns in die Arme, und meiner protestiert sogleich. Ich ignoriere den Schmerz, weil er nicht gegen das warme Gefühl in meiner Brust ankommt. Wir sind Kämpferinnen. Jede auf ihre Art, und da wird mir etwas bewusst. Vielleicht muss ich nicht zwingend den Plan der Rebellen ausführen, und den Prinzen betäuben.

Vielleicht reicht es auch, mit den Mädchen zu reden und sie davon zu überzeugen, dass sie sich für die niedrigen Bezirke einsetzen müssen, wenn sie gewinnen. Mut keimt in mir, wie eine Pflanze, welche die kalte Schneedecke durchbricht.

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