Viel Spaß beim zweiten Teil der Lesenacht! Wie ihr vielleicht bemerkt, ist dieses Kapitel sehr lang, deshalb lasst euch ruhig Zeit beim Lesen und fühlt euch nicht gedrängt :)
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Nivea
Am Montag begreife ich, wie kompliziert das Rechtssystem eigentlich ist. Madame Clarice gibt ihr bestes, um uns die Grundlagen zu vermitteln. Sie wirkt überfordert damit, ganz klar entspricht diese Thematik nicht ihrer sonstigen Unterrichtsform.
Wir bekommen Ordner ausgeteilt, außen schlicht und grau. Er wiegt einiges. Als ich ihn aufschlage, sackt mein Herz in die nicht vorhandene Hose. Die anderen Mädchen seufzen und eines von ihnen murmelt; „Kann nicht deren ernst sein". Doch wir wissen alle, dass es so ist.
König Lex will uns testen, auf unsere Unerschütterlichkeit und den Glauben an das System. Dabei sind wir nur junge Frauen, die hergekommen sind, um sich zu verlieben (die meisten jedenfalls) und keine abgebrühten Richter.
Ich überfliege die Seiten, blättere weiter und weiter und schlage schließlich ganze Blöcke um. Irgendwann erreiche ich die Seitenzahl 300 und mir wird klar, dass eine Menge Arbeit vor uns liegt.
„Da Sie sich auf den Bällen größtenteils passabel geschlagen haben, verzichten wir vorerst auf weitere Stunden und ich weise Sie stattdessen an, sich dem Selbststudium zu widmen. Bei Fragen stehe ich Ihnen immer zur Verfügung, auch wenn ich zugeben muss, dass ich keine Expertin auf diesem Gebiet bin."
Sie steht am Fenster und schaut hinaus, lässt ihren Stock in der Hand kreisen. Die Madame so aufgebracht zu sehen, ist beunruhigend. Normalerweise strahlt sie pure Selbstsicherheit aus, ruhend auf jahrzehntelanger Erfahrung.
Wie also, sollen wir in so kurzer Zeit lernen, wie man Verbrecher behandelt? Wenn nicht mal sie sich sicher ist? Ich beiße mir kopfschüttelnd auf die Unterlippe. Das ist grausam. Es quält uns seelisch, denn heimlich hofft jede von uns, dass nicht man selbst ausgewählt wird. Die Chancen stehen Eins zu Neunzehn. Glaube ich. Mathe mochte ich noch nie.
Grace schaut starr auf den Order hinab, sie sitzt links neben mir in der Mitte des Zimmers. Es ist komisch, eigentlich logisch, aber je mehr Kandidatinnen ausscheiden, desto mehr Tische bleiben unbesetzt. Schon fünfzehn mussten gehen. Es ist, als wären sie nie hier gewesen.
Nichts erinnert an sie, wie auch.
Das Leben geht weiter, und mit ihm der Wettbewerb.„In der uns verbliebenen Zeit möchte ich eine Übung mit Ihnen durchführen. Fühlen Sie sich nicht unter Druck gesetzt, es wird ganz leicht sein." Die ältere Frau dreht sich wieder zu uns. Heute sieht ihr Dutt etwas durcheinander aus, graue Strähnen fliegen um ihr Gesicht herum. Auch das dunkelblaue Kleid, so elegant und schlicht, scheint Falten aufzuweisen.
Das ist, als hätte ein perfekt geschliffener Diamant plötzlich einen Riss bekommen.
„Ich stelle Ihnen folgenden Fall vor: Vor Gericht steht ein Mann, etwa dreißig Jahre alt, unverheiratet und des Diebstahls bezichtigt. Gestohlen hat er Schmuck aus einem teurem Juweliergeschäft. Schließen Sie nun alle die Augen und warten."
Etwas zögerlich kommen wir ihrer Aufforderung nach. Ich rutsche auf dem Stuhl zurecht, fühle mich beobachtet und dadurch unwohl. Es wird ruhiger. Irgendwann hört man sogar die Schritte der Wachen außerhalb des Zimmers, so still ist es.
„Ich möchte, dass jede von Ihnen nun die Hand hebt, welche diesen Mann für schuldig befindet." Eine komische Lehrweise. Aber gut. Ich hebe meine Hand, und dem Rauschen von Stoff nach, tun es die anderen ebenfalls.
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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...