49. Kapitel - Teegesellschaft

95 13 4
                                    

"Das sind so viele festliche Anlässe...Zu viele!", ruft Janine und fächert sich mit der Hand Luft zu. Sie rennt durch mein Zimmer, ohne wirklich etwas zu tun, weil sie immer neue Aufgaben anfängt, anstatt die anderen zu beenden. "Wir haben nur zwei Ersatzkleider vorbereitet. Wenn etwas schief geht, wenn nun ein Träger reißt oder Sie mit Tee begossen werden...Nicht auszudenken."

Ich liege auf meinem Bett und starre an die Decke, denn mein Kopf rauscht. In den letzten Stunden habe ich so viele königliche Namen und Hintergrundgeschichten gehört, dass ich total erledigt bin. Aber mir bleibt keine große Pause, in etwa einer halben Stunde steht das Treffen mit den Gästen an.

"Wusstest du, dass die Regenten von Digiti ebenfalls anwesend sein werden? Und wie viele Enkel und Enkelinnen sie mitbringen? Es sind dreizehn. Dreizehn!" Digiti ist ein Nachbarreich, mit dem sich Caravel mehr oder weniger im Frieden befindet. Noch vor ein paar Jahren sah das ganz anders aus, Digiti war eine ernste Bedrohung für meinen Bezirk. Weil er den äußersten Ring um Caravel bildet, leidet er zuerst unter Angriffen. Ganz davon abgesehen, dass zahlreiche Menschen aus Medea in den Dienst einberufen werden. Mehr als aus jedem anderen Bezirk.

Erst als Digiti sich in einer Hungersnot befand, gingen sie auf das Angebot der Waffenruhe sein. Caravel lieferte ihnen Vorräte, woraus ein Band zwischen den beiden Reichen entstand. Ein Band, dass jeden Augenblick zu zerreißen droht. Digiti war noch nie mit der Geschichte einverstanden, wie Caravel entstanden war.

In ihren Augen waren einzig und allein die Schraeves die rechtmäßigen Herrscher, deshalb betrachteten sie König Clarke seit Beginn seiner Regierung als unwürdig.

"Nein, das wusste ich nicht. Steht Ihr bitte auf? Ich muss Euch zurecht machen." Seufzend erhebe ich mich von der Matratze, die seit einigen Minuten meinen Namen zu schreien scheint. "Wo steckt Lola schon wieder?", will ich wissen. "Andauernd ist sie fort. Was macht sie?" Ich trete hinter die Abgrenzung und ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus.

Ein Feuer flackert bereits seit geraumer Zeit, dessen Schein sich auf den Fenstern spiegelt. Die Sonne steht noch, der Himmel färbt sich aber bereits rosa. "Sie ist auch beschäftigt, sie arbeitet an Ihren Kleidern." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, hätte mit etwas spektakulärerem gerechnet. "Das ist alles? Ich dachte, sie wären ohnehin fertig." Mit den Beinen schlüpfe ich zuerst in das Kleid, dann ziehe ich es hoch.

Es ist zart grün mit vielen Rüschen, die Ärmel reichen mir bis zu den Ellenbogen und der Rock bis knapp zu den Schuhen. Es liegt oben etwas eng an, fällt dann aber locker und gerade an mir herab. Noch bevor ich in den Spiegel schaue weiß ich, dass dieser Kleid mich sehr elegant aussehen lassen soll. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten.

Zögerlich komme ich hervor, Janine blickt auf und lächelt. "Sehr schön. Es passt Ihnen." Ich lege den Kopf leicht schief, verlagere mein Standbein. "Ist das so eine Überraschung? Ihr habt doch vorher meine Maße genommen."

Janine schüttelt abwehrend den Kopf. Sie stellt sich hinter mich und schließt die kleinen Knöpfe, von meinem unteren Rücken bis hoch zu meinen Schultern. "Die haben wir, aber nicht für dieses Kleid. An diesem Kleid haben wir schon gearbeitet, noch bevor Ihr angekommen seid. Wir wussten nicht, wie dünn Ihr wart. Zum Glück habt Ihr in den letzten Wochen etwas zugenommen."

Ich lasse Janine stehen und eile ins Bad, nehme den Rock hoch um nicht über meine Füße zu stolpern. Dort angekommen halte ich die Luft an, ziehe den Bauch ein und drehe mich zur Seite. Ich nehme meinen Körper genau unter die Lupe, mustere jeden Zentimeter, so gut es durch den Stoff hindurch eben möglich ist.

Tatsächlich. Ich habe an Beinen und Hüfte zugelegt. Mit den Fingern fahre ich über die Stellen, versuche nachzuvollziehen, was das bedeutet. "Lady Nivea, das ist gut! Ihr steht gesünder aus. Weiblicher."

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt