119. Kapitel - Kein guter Start

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Grace

Am Donnerstag komme ich kaum aus dem Bett. Es geht nicht, ich bin tot, begrabt mich einfach. Hier, am besten. Umgeben von duftenden Kissen und Bettdecken mit Bommeln. Mit denen spiele ich gerne, kurz vor dem Einschlafen.

Muss ja keiner sehen, wenn meine Leiche sich manchmal bewegt, um nach den Bommeln zu tasten.

„Lady Grace, es ist an der Zeit! Die Prüfung beginnt in weniger als einer Stunde! Sie müssen endlich aufstehen.“ Ja, Mary. Ich weiß. Ich kenne unseren kläglichen Wochenplan mittlerweile sehr gut auswendig.

Trotzdem. Kein Grund, aufzustehen. Nicht zur Prüfung zu gehen, heißt ja nur, dass ich morgen rausfliege. Automatisch. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.

„Ich bin krank“, meine ich mit geschlossenen Augen. Presse das duftende Lavendel Kissen fester an mich. „Gewn, du musst für mich einspringen. Wo du doch sowieso alles besser weißt.“

Ein entsetztes keuchen ist zu hören, dass mich beinahe zum schmunzeln gebracht hätte. Aber eben nur beinahe. „Ich weiß gar nicht alles besser“, behauptet sie anklagend und ich wage es, eins meiner Augen zu öffnen.

Da ich auf der Seite liege, erkenne ich nur aus Schieflage, wie meine Zofen durch den Raum eilen und Gwen eine eingeschnappte Miene aufgelegt hat.

Sie sammelt Kleidung vom Boden auf, die ich gestern in einer Welle der Erschöpfung um mich geschleudert und dann liegen lassen habe.

„Ich sage nur, dass es keine gute Idee war, gestern so viel Schokolade gegessen zu haben. Das sehen Sie doch selbst ein! Und außerdem ist das auswendig lernen der Geschichte Caravels keinesfalls Teil meiner Grundausbildung gewesen.“

„Schon gut, schon gut. Werft mir einfach ein passendes Outfit rüber und ich zwänge mich hinein. Die paar Stunden werde ich durchhalten, danach warten mein Bett auf mich und ich wünsche, den restlichen Tag allein gelassen zu werden.“

Allein mit meiner Trübseligkeit. Ich seufze und rolle mich auf die andere Seite, so dass ich in der Mitte des Bettes liege. Dort richte ich mich auf, sitze da und verspüre den überwältigenden Wunsch, mich gleich wieder nach hinten fallen zu lassen.

Gequält strecke ich meinen Arm zur linken Seite aus. „Kaffee!“, rufe ich und Mary überlasst es Gwen, mir ein Kleid heraus zu suchen.

Sie hat schon eine Kanne vorbereitet, die sie nun vom Tisch holt und mir eine Tasse voll einschenkt. Sehnsüchtig nehme ich sie ihr ab, sauge den Dampf in mich auf und nehme den ersten Schluck.

Die verschiedenen Kaffee Sorten sind der Wahnsinn. Es gibt welche mit Karamell, Zuckerwatte, Kiefernnadeln und sogar Heidelbeeren. Krass, oder? Letzteres hat zwar ekelhaft geschmeckt, aber es geht ums Prinzip.

„Danke“, gebe ich seufzend zurück. „Nur so lässt sich dieser Tag überstehen.“

Die beiden werfen sich einen Blick zu, der Bände spricht. Ich kneife die Augen zusammen und schwinge die Beine über die Bettkante, dabei verrutscht mein Pyjama und ich fröstele. Der Boden ist zwar herrlich flauschig, ansonsten ist es jedoch kalt im Zimmer.

So ist es mir nachts am liebsten. Bei flackerndem Feuer kann ich nicht schlafen, niemals, dann überhitze ich und falle eher noch in Ohnmacht.

Man könnte also meinen, es wäre meine Schuld, dass ich es jeden Morgen so schwer habe, aus dem Bett zu kommen. Denn da ist es gerade zu frostig. Naja, egal.

„Das habe ich gesehen“, meine ich und schlüpfe in das Morgengewandt, dass Mary mir hin hält. Erst der linke Arm, dann der rechte. Jeden Tag derselbe Ablauf. Nur, dass ich heute tatsächlich spät dran bin.

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