Halo
"Hast du das gelesen? Nicht zu fassen, oder? Deine Schwester hat sich echt getraut, diese blöde Kuh in Schutz zu nehmen." Rose schüttelt fassungslos den Kopf. Wir sind in ihrem Zimmer, wie so oft, denn einen anderen Rückzugsort gibt es in Tante Sophies Wohnung nicht.
Ich vergleiche sie gern mit einem Labyrinth, nur, dass es weniger Zwischenwände und dafür Türen gibt. Ansonsten sieht alles gleich aus, die Wände sind grau und manchmal schimmelig, die Zimmer klein und chaotisch.
So befindet sich Rose' Schlafzimmer hinter dem Bad, durch das man erst gehen muss, um her zu kommen. Wenn also gerade jemand auf dem Klo sitzt und abgeschlossen ist, oder einer sich wäscht, sitzt man fest.
Ein Umstand, an den ich mich immer noch gewöhnen muss. Meine eigentliche Wohnung befindet sich fünfzehn Minuten von hier entfernt, aber es fühlt sich viel weiter an. Als lägen Welten zwischen uns. So hat sich das in den letzten Wochen entwickelt.
Ich musste lernen, was es heißt, allein zurecht zu kommen. Mit Hilfe meiner Tante und Cousine, ja, aber trotzdem irgendwie allein. Und in diesem Zimmer ist die Wirkung noch viel heftiger, so abgegrenzt und klein wie es ist.
Aus dem Fenster zu steigen ist nur eine inoffizielle Option - davon darf Sophie nichts erfahren. Rose und ich nutzen diesen Weg oft, um abends nochmal raus zu kommen, um uns mit Freunden zu treffen.
Jefferson - kurz Jeff - und Chris sind genau wie Rose etwas älter als ich, aber total cool drauf. Sie haben uns an Orte gebracht, von denen ich bisher gar nichts wusste. Etwa ein kleines Wäldchen, hinter dem ein Zug bis nach Acht fährt, hin zur Station.
Von dort aus führen die Schienen in alle Richtungen, heißt es. Auch nach außerhalb Caravels. Wir treffen uns oft und reden darüber, wo wir am liebsten hin fahren würden. Wenn wir es nur bis nach Acht schaffen könnten, stünden uns alle Möglichkeiten offen.
Nachts ist diese Stadt eine ganz andere. Nivea sagte immer, ich solle mich vor ihr hüten und sie fürchten. Nur so könne man überleben. Aber sie hatte Unrecht. In der Nacht blühe ich auf, die alltäglichen Probleme der Langeweile fallen ab und in mir wächst eine Spannung heran, die mein ganzes Selbst verändert.
Doch jetzt ist es Tag, gerade mal um vier Uhr nachmittags.
Ich beuge mich zu Rose hoch, um mit in die Zeitung sehen zu können. Sie ist durchweicht und zerknittert, wie immer eigentlich.
Wir haben sie aus einem der Mülleimer neben Toms Cafe gefischt, gerade noch rechtzeitig, bevor es jemand anders tun konnte.
Tante Sophie sieht es nicht gern, wenn wir uns über die Selection unterhalten. Sie findet, wir würden uns unnötig Hoffnungen machen und zu wilde Fantasien entwickeln. Dabei ist die Selection das einzig aufregende hier in Crowheart.
Jeder Tag ist gleich, es gibt keine Ereignisse mehr, an denen wir sie voneinander unterscheiden könnten. Würde Tom in seinem Cafe keinen Kalender hängen haben, den Lea und ich in Stand halten, hätte ich keinerlei Zeitgefühl mehr.
Fast hätte ich sogar meinen Geburtstag vergessen. Er fand vor zwei Tagen statt, und eigentlich war auch er nicht anders, als die Tage zuvor. Zum Frühstück gab es Brot, das Mittag viel aus und zum Abendessen gab es Möhrensuppe.
Das einzig gute daran, dass meine Schwester so lange weg ist, ist, dass sie uns eine Abfindung dafür schicken. Tante Sophie empfängt das Geld, dass Nivea sonst im Cafe verdient hätte.
In den Verträgen stand, wenn man keinen Job haben würde, würde man auch keine Abfindung erhalten. Logisch, finde ich, denn die anderen Mädchen sind reich genug. Ihre Familien brauchen keine Almosen, wie es einer der Väter formulierte, der ebenfalls in der Zeitung aufgeführt wurde.
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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...