124. Kapitel - Gelegentliche Ausrutscher

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„Eigentlich stehe ich nicht auf diesen Kitsch“, sage ich und tue, als würde mich seine Mühe nicht total beeindrucken.

Verschränke die Arme hinter dem Rücken und lasse meinen Blick über die Kerzen wandern, die allesamt rot und langstielig sind. Ihre Flammen flackern zart, gehen aber nicht aus.

Sie stehen auf dem Boden verteilt, auf steinernen Erhöhungen und in einer Reihe nahe der Glaswand entlang.

Kaden zieht eine Augenbraue hoch. „Natürlich nicht“, gibt er ironisch zurück. Zieht eine Hand aus der Hosentasche und deutet mit ihr auf sein Werk.

„Das war übertrieben, nicht wahr? Ich hätte Olivia herbringen sollen, wusste ich’s doch.“

Nur etwa zwei Sekunden des Schocks gewähre ich mir, dann zucke ich mit den Schultern und nicke zustimmend.

„Ja, vermutlich. Bloß müsstest du ihr erst mal beibringen, wie man den Weg hier her findet. Sie hat einen furchtbaren Orientierungssinn.“

Er verdreht die Augen, macht einen Schritt vor und ergreift meinen Arm. Zieht mich sanft, aber bestimmt zu sich.

Automatisch muss ich lächeln, kann nicht länger so tun, als würde mich dieses Spiel nicht amüsieren.

„Ihr Orientierungssinn hat sie zu mir geführt, so schlecht kann er also nicht sein.“

„Nein“, gebe ich zu. Schaue zu ihm hoch, direkt in seine Augen. „In dem Punkt hat sie alles richtig gemacht.“

Einen Moment lang schweigen wir. Er schaut mich nur an, lässt seinen Blick an mir herab wandern und ich meine, dass er beeindruckt ist.

Seine Finger streifen warm über meine Haut, den Arm rauf und runter. Ich bekomme eine Gänsehaut, was er so interpretiert, aufhören zu müssen.

„Du warst heute nicht bei mir“, bringe ich leise hervor. „Bei der schriftlichen Prüfung. Wo warst du da?“

Seine Brust hebt und senkt sich regelmäßig. Ich weiß nicht, ob ich die Antwort wirklich hören will. Zumal er mir noch die von Dienstag schuldig ist.

„Bei Amara“, sagt er und ich runzle verwirrt die Stirn. „Amara? Warum?“

Keine Sekunde glaube ich, dass sie auf Kaden stehen könnte. Sie verbringt viel Zeit mit Lukas, und Kaden ist nun mal sein komplettes Gegenteil.

Außerdem…keine Ahnung. Sie hat nie den Eindruck erweckt, dass sie ihn mögen könnte. Aber so funktioniert das System doch.

Wir bekommen die Männer als Aufpasser zugeteilt, die Interesse an uns zeigen. Theo und Grace, Loveday und Michael, Aaron und Willowdeen, Kilian und Lidia und so weiter und so fort.

Gut, was Leander betrifft, stellt er eine Ausnahme dar. Doch wie sagt man noch gleich? Ausnahmen bestätigen die Regel. Es weiß ja keiner, dass auch er nur ein Spiel spielt.

„Es geht ihr nicht sonderlich gut“, gesteht er. „Sie hat heute Morgen kaum etwas geschrieben.“

„Das passt zu dem, was ich beim zweiten Teil erlebt habe. Sie war so…apathisch. Als würde sie es nicht mal versuchen wollen.“

„Ich denke, sie hat aufgegeben. Für sie gibt keinen Grund mehr, zu bleiben.“

„Das ist schade. Wo wir doch so kurz vor dem Ende stehen.“

„Drei Wochen sind eine lange Zeit“, meint Kaden schmunzelnd. „Für einige ist das zu lang. Wenn der richtige Partner fehlt, verstreichen die Minuten undendlich langsam und man kommt sich überflüssig vor.“

Ich lege den Kopf leicht schief. „Ich wusste nicht, dass du so ein Experte bist. Hattest du vor der Selection eine harte Trennung?“

„Und ich dachte schon, du könntest einmal ernst sein.“

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt