Drei

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Mit ihren Pizzakartons unter dem Arm betraten die Beiden die riesige Villa und machten es sich auf den edlen Ledersofas bequem. Auf dem überdimensionierten Flatscreen liefen alte How-I-met-your-mother Folgen und sie mampften schweigend ihre vor Fett triefenden Pizzen, inklusive Geschmacksverstärker. Himmlisch. Anschließend verstaute Liv die leeren Pizzakartons in ihrem Auto. Kein Grund ihre Mutter, die alles und jeden, unabhängig davon ob es nötig war, auf Dauerdiät setzte, unnötig aufzuregen. Zurück im Haus gingen Liv und Zora hoch in Livs Zimmer.

„Du kannst dich echt glücklich schätzen, dass das heute deine letzte Klausur war.", stöhnte Liv bei einem Blick in Richtung ihres Schreibtisch auf. Darauf befanden sich neben unendlich vielen Modemagazinen zahllose Malutensilien. „Ach komm, Kunst schaffst du doch mit links, bevor du da mit weniger als 15 Punkten rausgehst fällt Nat noch durchs Abi.", entgegnete Zora aufmunternd und warf sich aufs Bett. „Naja mal sehen, sicher ist noch nichts.", antwortete Liv. Dies tat sie allerdings mit einem Schmunzeln im Gesicht, wohl wissend, dass Zora Recht hatte.

Sie griff zwei Modemagazine von ihrem Schreibtisch, eine Ausgabe der Glamour und eine der Vogue, warf die Glamour Zora zu und begab sich mit der Vogue in der Hand ebenfalls aufs Bett. „Also, was hast du dir eigentlich an Haaren und MakeUp für den Abiball überlegt?", fuhr sie fort. „Ehm...", erwiderte Zora äußerst geistreich, während sie die Zeitschrift aufschlug. Liv blätterte schon begeistert durch die Vogue und zeigte Zora gefühlt jedes zweite Model mit Kommentaren wie: „Wow, schau mal diese Haare.", „Dieses MakeUp bringt die Augen wirklich zur Geltung." oder „Die hat eine ähnliche Kopform, wie du, die Frisur sähe bei dir sicher auch ganz toll aus." Zora hörte mit einem Ohr zu, während sie weiter durch die Zeitung blätterte.

In Momenten wie diesen schien es besonders absurd, dass sie und Liv so gute Freundinnen waren, hatten sie doch kaum Gemeinsamkeiten, aber bizarrer Weise passte es einfach. Zora hatte nachdem die Klassenverbände am Ende der neunten Klasse aufgelöst worden waren irgendwie den Anschluss zu den anderen Mädels verloren. Sie hatten sich einfach voneinander weg bewegt. Das hatte sie wenig gestört, schließlich hatte sie Nat und sie war auch ganz gerne mal allein. Es hatte aber eben auch zur Folge gehabt, dass sie in den Pausen oder Freistunden häufiger Mal Musik hörend in der Ecke stand, die merkwürdige Außenseiterin war.

Anfang der elften Klasse war Liv dann zu ihnen an die Schule gekommen. Ihr Ruf war ihr weit voraus geeilt, sodass ein Großteil des Stufe, bevor er sie auch nur einmal zu Gesicht bekommen hatte, eine vorgefertigte Meinung zu ihr besaß: die eingebildete Tochter einer männerjagenden, geldgeilen Schauspielerin.

Zora hatte das Im Gegensatz zum Rest wenig interessiert, sie hatte noch nie zu viel auf die Meinung anderer gegeben. Da sie beide Leistungskurse, sowie einige Grundkurse zusammen hatten, hatten sie schon in der ersten Woche eine Freistunde und mehrere Mittagspausen gemeinsam verbracht. Liv hatte sich als unglaublich herzlich und auch ein wenig verrückt herausgestellt, sodass sie sich schnell angefreundet hatten.

45 Minuten später hatte Liv Zora nach dem Vorbild eines skandinavischen Models geschminkt und betrachtete ganz entzückt ihr Endergebnis. „Du könntest so viel aus dir machen, wenn du dir morgens nur ein wenig Zeit zum Schminken nehmen würdest.", seufzte sie. „Naja, wir sind halt nicht alle gleich. So, viel wichtiger: Gehst du jetzt mit Nat zum Ball?" Zora zog skeptisch ihre Augenbraue hoch. „Ob ich mit ihm zum Ball gehe?", „Na du weist schon. So als Date." Liv zwinkerte ihr übertrieben affektiert zu. „Ach komm, wie häufig hatten wir diese Diskussion schon?", resignierte Zora. „Da lief nie etwas. Da läuft jetzt nichts und da wird auch nie etwas laufen. Wir sind einfach nur gut befreundet und das schon seit Jahren. Ja, wir gehen zum Ball, aber nur als Freunde."

„Aber du musst zugeben, dass er nicht schlecht aussieht. Außerdem ist er zuverlässig und hat einen Plan vom Leben, nicht so wie der Rest der Vollidioten unserer Stufe. Aus dem wird mal was." Zora reagierte auf dieses Loblied nur mit dem Hochziehen ihrer Augenbrauen und einem Kopfschütteln. Nach einem Moment der Stille lenkte Liv schließlich ein: „Ich bin ja schon still. Dann läuft da eben wirklich nichts, selbst schuld." Theatralisch ließ sie sich in die Kissen zurück fallen."

„Nun aber zu dir." , wechselte Zora endgültig das Thema. „Was macht der Typ aus dem View?"

Liv hatte vorletztes Wochenende in so einer 'Edeldisko' in Dortmund jemanden kennengelernt; und wenn man ihren Schilderungen glauben durfte, so war der Herr im Prinzip der Messias persönlich. Livs Augen leuchteten auch sofort auf. „Wir treffen uns am Freitag zum Essen. Wir haben die ganzen letzten Tage geschrieben. Du musst mir unbedingt helfen was zum Anziehen auszusuchen."

Somit verbrachten sie die nächste Stunde damit Livs Kleiderschrank in Augenschein zu nehmen, um das optimale Outfit zu finden.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt