Dreiundachtzig

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Als die Klingel schellt hatte Jane sich innerhalb eines Sekundenbruchteils erhoben; sie hatte ohnehin nicht still sitzen können. Vor der Wohnungstür hielt sie dann aber noch einmal inne, bevor sie diese öffnete. „Hey.", begrüßte sie Zora. Diese sah etwas geschafft aus. Klar, mit den Öffentlichen durch Düsseldorf zu fahren war nicht gerade entspannend. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, in der Hand hielt sie ihre Tasche und eine Jacke. „Hey.", echote sie. Sie sahen sich unsicher an. Jane durchbrach das ungemütliche Schweigen. „Komm rein." Sie machte eine fast schon übertrieben einladende Geste. Zora trat über die Schwelle.

„Willst du einen Kaffee?", bemühte Jane sich erneut ein Gespräch in Gang zu setzten. Zora nickte. „Gerne." Drinnen ließ sie ihre Jacke und ihre Tasche auf eines der Sofas fallen. „Glückwunsch nochmal zu dem Praktikum.", fuhr Jane fort. „Danke.", erwiderte Zora steif. „Obwohl ich mich wohl eher bei dir bedanken sollte. Ohne dich hätte ich die Stelle nie bekommen." Jane blickte erstaunt zu ihr. „Wieso? Ich habe doch gar nichts gemacht." Zora quittierte das mit einem zynischen Lachen. „Nur durch dich bin ich doch überhaupt auf der Party gelandet. Außerdem glaubt scheinbar alle Welt, dass ich unfassbar intelligent und begabt bin, weil du mich im Schlepptau hattest.", „Aber das bist du doch auch. Klar, durch mich hast du Niggenbölling kennengelernt. Eingeladen hat er dich dann aber von selbst. Da hast du ihn überzeugt.", widersprach Jane aufmunternd, während sie in die Küche ging und die Kaffeemaschine anschmiss. Zora folgte ihr, sie wirkte richtig aufgebracht: „Da bin ich mir nicht so sicher. Bei dem Gespräch gerade hat er in einem von dir durch geschwärmt. Meine Unterlagen hat er sich noch nicht mal angesehen. Ich könnte sonst was für Noten haben, den Arbeitsvertrag hat er schon unterschrieben, behaupte nicht ich habe mir das irgendwie verdient." Jane drehte sich zu ihr um, jetzt ebenfalls gereizt: „Machst du mir gerade Vorwürfe dafür, dass mein Name dir zu einem Praktikum verholfen hat?"

Zora stieß ungehalten Luft aus. „Ich will nur nicht die Idiotin sein, die auf unseriösem Weg einen Praktikumsplatz erhalten hat, der zu gut ist, um wahr zu sein, nur weil du..." Sie begleitete den Satz mit einer erbosten Handbewegung. Wäre Jane nicht selbst so erzürnt und vor allem mit der Situation überfordert, da sie selbst absolut nicht wusste, was sie wollte; sie hätte aufgelacht. Die moralischen Bedenken, die Zora da hegte waren einfach nur knuffig. Das Mädchen war vermutlich zu korrekt für die Geschäftswelt. Jane unternahm einen weiteren Versuch die Situation zu entspannen. „Weil ich was? Ich habe gar nichts gemacht. Klar, Herr Niggenbölling assoziiert dich mit mir und war deshalb vielleicht positiv gestimmt, aber so läuft das nun einmal. Das sind auch alles nur Menschen; und sorry, es ist nur ein dusseliges Schülerpraktikum. Wenn jemand echtes Talent zeigt ist das super, aber im Endeffekt sieht man über 90% der Leute eh nie wieder. Und selbst wenn du dir jemanden mit zehn Ehrenämtern und nem Einserschnitt suchst, kann derjenige trotzdem ein hoffnungsloser Fall in der Praxis sein. Niggenbölling ist auch nur ein netter älterer Herr, mit einem Unternehmen das läuft. Er hat dich gesehen, mochte dich und hat spontan bei ein paar Glas Wein befunden, dass er dich näher kennenlernen will und das tut er jetzt für zwei Monate. Außerdem hat er sich dadurch bei einem Praktikumsplatz den Bewerbungsprozess mit zig Bewerbern erspart. Du erfüllst da letztendlich irgendeine Quote für die Nachwuchsförderung. Sicherlich wäre es korrekter gewesen, wenn er die Stelle offiziell ausgeschrieben hätte, aber die Welt ist nunmal nicht fair. Bei der Stelle bei uns hat dich das doch auch nicht gestört." Okay, vielleicht hatte sie sich ein wenig mehr in Rage geredet, als die Situation aufzulockern.

Der Kaffee war mittlerweile fertig und Jane stellte Zora ihre Tasse ein wenig unsanft auf den Küchentresen. „Da dachte ich auch, du hättest meine Bewerbungsunterlagen ernsthaft geprüft.", kam die Antwort schnippisch. „Und das tust du jetzt nicht mehr?", folgerte Jane mit hochgezogenen Augenbrauen. Zora schob die Tasse trotzig von sich weg und begann in der Küche auf und ab zu laufen.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt