Einhundertzwölf

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Jane hatte recht gehabt, die Ausstellung war wirklich bewegend und ein eindeutig ein bisschen zu aufwühlend, um damit einen Partyabend zu starten. Somit saßen Zora und Liv beim Schminken und Fertig-Machen immer noch ein bisschen wehmütig mit ihren Drinks in der Hand. Die ernsthafte Stimmung verlor sich im Verlauf des Abends dann aber doch relativ schnell wieder. Zora genoss es deutlich mehr, als sie erwartet hätte eine Nacht lang einfach nur Spaß mit ihrer besten Freundin zu haben, stundenlang zu tanzen, vor aufdringlichen angetrunkenen Kerlen zu flüchten und inhaltslose, aber durchaus amüsante Partygespräche mit gleichgesinnten Nachtschwärmern zu führen.

Um kurz nach vier fiel sie todmüde ins Bett und wurde dann am Morgen leider zu früh von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Sie hatte im angeheiterten Zustand natürlich völlig vergessen die Rollos zuzuziehen. An Schlaf war nun leider nicht mehr zu denken. Stattdessen schrieb sie Jane eine 'Guten-Morgen-Nachricht' und wankte dann ins Bad um sich abzuschminken und ihre Zähne zu putzen.

Gute drei Stunden später saß Zora mit Jane und Liv in einem kleinen Bistro und betrachtete lächelnd Jane, die wiederum aufmerksam Liv folgte. Jane sah für ihre Verhältnisse casual aus, dunkelblaue Jeans, schlichte, aber hochwertige Sneaker und eine lockere cremefarbene Leinenbluse. Sie war dabei also immer noch sie selbst und sah umwerfend aus. Zudem verlief dieses Treffen um ein Vielfaches besser, als es eigentlich tun sollte, in Anbetracht des Altersunterschieds und der insgesamt unklaren Lage, in der Jane und Zora sich befanden. Aber wie Zora gehofft hatte verstanden Jane und Liv sich blendend. Sie unterhielten sich gerade über die Ausstellung. Liv konnte ihre Einschätzung natürlich mit allerlei Vorwissen fundieren und mit hochgestochenen Fachbegriffen ausschmücken. Dabei konnte Jane nicht ganz mithalten, dafür hatte sie allerdings mit Ribéry, dem Fotografen, persönlich gesprochen und konnte Liv in dieser Hinsicht Rede und Antwort stehen.

Jane ertappte Zora beim Starren und schenkte ihr ein Lächeln, bevor sie Liv auf eine Frage antwortete. Zora errötete minimal und bemühte sich schnellstmöglich wieder dem Gespräch zu folgen. Als Jane sich einige Zeit später in Richtung WC entschuldigte musterte Zora ihre beste Freundin, nachdem ihr Blick Jane gefolgt war, bis diese aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. „Also, was sagst du?" Liv grinste sie an. „Ich, ihr seit soo süß zusammen." Sie schüttelte sich quasi vor Begeisterung. „Und von wegen nicht offiziell, das sieht doch jeder Blinde!" Sie knuffte Zora in die Seite. „Und ich verstehe dich, sie ist wirklich toll. Obwohl... Kunstausstellung, Ritterburgen, Abende vor dem Fernseher... Und Partys sind nicht so eures?!" Liv lachte fast schon zynisch. „Da ist es wohl klar, dass du nichts gleichaltriges findest." Zora wollte ihr einen Spruch reindrücken, aber ihr fehlte die letzte Motivation. Sie war einfach nur von purem Glück erfüllt, ihr war ganz wohlig warm im Inneren.

„So, aber jetzt erzählt doch mal, ob ihr gestern Erfolg beim Shoppen hattet, das war doch Sinn deines Besuchs.", wandte Jane sich an Liv, als sie zurück kam, wobei sie allerdings ganz schnell wieder Zora ins Auge nahm. Während sie sich hinsetzte drückte sie kurz deren Hand, ganz so als sei es das Normalste auf dieser Welt. Liv fasste kurz den Verlauf des gestrigen Nachmittags zusammen. „Und jetzt werden wir die Schuhdiskussion am Samstag fortführen.", schlussfolgerte Zora lachend. In dem Moment kam die Kellnerin mit der Rechnung. Nachdem Zora diese beglichen hatte, schließlich saßen die Beiden ja ihretwegen hier, fuhr Liv fort: „Ach komm, du hast da doch auch niemanden zu beeindrucken.", „Weil Nat dich umgehend abservieren wird, wenn ihm deine Schuhe nicht zusagen.", konterte Zora mit einem Augenverdrehen. „Na dann bin ich halt ein bisschen schuhverrückt.", gab Liv sich mit einem Schulterzucken geschlagen, während sie aufstand. Jane lachte, als sie das Lokal verließen. „Sie wird das nach wenigen Stunden bereuen und barfuß rumlaufen, glaub mir.", raunte Jane Zora zu, sodass Liv es aber noch deutlich mitbekam. „Du unterschätzt ihre Fähigkeit auf hohen Schuhen zu laufen.", gab Zora zurück. „Ahh, vertrau mir, das ist ein Ball. Am Anfang tönen sie alle ganz groß, aber irgendwann werfen sie dann alle Vorsätze über Board, weil sie Spaß haben wollen, anstatt mit schmerzenden Füßen in der Ecke zu stehen.", „Ich kann euch sehr gut hören.", mischte Liv sich ein. „Und Zora hat recht, ich bin da eisern. Außerdem ist Nat eh kein großer Tänzer und ich stehe liebend gerne anmutig mit ihm am Rand." Sie grinste selbstzufrieden.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt