fragile (GirlxGirl)

Zweiundvierzig

Zora musste fast nie trinken, schließlich hatte sie weder ein ausschweifendes Partyleben, noch ein ausschweifendes Sexleben. Es war aber dennoch lustig anzusehen, wie sich die Anderen mit immer krasseren Erlebnissen überboten, wobei vermutlich vieles auch stark überzogen wurde. Einen waren Kern hatten die meisten Dinge wahrscheinlich aber doch. Nach kurzer Zeit gesellten sich auch Peter und Steven zu ihnen. Als sie mit der App durch waren, wurde so mit aberwitzigen, peinlichen Storys weiter gemacht, schließlich waren sie jetzt einmal in Fahrt und die Hemmungen waren gefallen.

Zora verfolgte das Ganze still. Ihr Becher war mittlerweile leer, sodass sie aufstand und sich mehr oder weniger ziellos auf Wanderschaft begab. Vielleicht konnte sie ja irgendwo noch ein V+ oder Schöffi-Grapefruit auftreiben. Wenn sie in diesem Tempo mit den starken Mischen, die so ziemlich halb/halb gewesen waren weiter machte, würde das ganz schnell unschön für sie enden. Doch sie hatte wenig Erfolg, alles was sie fand waren noch mehr Wodka und Rum Flaschen. Sie steuerte schließlich raus aus der Scheune, weg von dem Lärm. Sie setzte sich auf den Strohballen, auf dem zuvor Liv und Nat gesessen hatten und begann mit den Händen Strohhalme aus dem Ballen zu zupfen. Ihr Blick schnellte erstaunt nach oben, als sie registrierte, dass jemand vor ihr stand. Andy, ein Tabakpäckchen in der Hand deutete neben ihr auf den Strohballen. „Darf ich?" Zora nickte. „Klar.", „Auch eine?" Er hielt sein Tabakpäckchen in die Höhe. „Ehh..." Zora zögerte. Sie hatte schon ein paar mal auf Partys geraucht, aber bisher immer nur mal gezogen oder sich ein Zigarette mit Liv geteilt. Aber wieso eigentlich nicht? Sie musste ja nicht immer nur brav und langweilig sein. Es war ja auch nur eine Zigarette, kein Gras oder sonst was.

Also nickte sie erneut. „Gerne." Sie saßen schweigend nebeneinander, während Andy die beiden Zigaretten drehte. Dann gab er ihr eine und hielt ihr ein brennendes Feuerzeug hin. Zora nahm einen Zug. Andy zündete seine eigene Zigarette an und nahm ebenfalls einen tiefen Zug. „Warum sitzt du alleine hier draußen?", durchbrach er das Schweigen. Zora hielt ihren leeren Becher in die Höhe. „Ich war eigentlich auf der Suche nach weniger alkoholischem Nachschub. Ich will nicht schon in einer Stunde völlig besoffen irgendwo meinen Rausch ausschlafen." Nach einem weiteren Zug sah er Zora überraschender Weise anerkennend an. „Damit bist du vernünftiger als schätzungsweise 80% der Anwesenden hier. Und als Herr des Hauses kann ich dir da sicherlich gleich behilflich sein, wenn wir aufgeraucht haben. Was willst du denn?", „Ein V+, Schöfi oder ein Radler ginge auch.", antwortete Zora. „V+ sollten wir da haben. Aber zurück zum Thema. Was hast du jetzt nach dem Abi vor? Wir sind ja gerade unterbrochen worden.", knüpfte er an ihr vorheriges Gespräch an. Er wirkte ehrlich interessiert.

Zora klopfte ein wenig Asche von ihrer Zigarette ab und blickte in die sternenklare Nacht. „Wenn ich das nur wüsste. Vielleicht ins Baugewerbe. Ich bin nächste Woche für drei Tage in Düsseldorf, um mir ein Architekturbüro und die Uni anzuschauen. Ist aber alles noch sehr schwammig." Sie zuckte mit den Schultern. „Mal sehen. Zurück zu dir. Wie war das mit dem anspruchsvollen Maschinenbaustudium?", fuhr Zora fort. Andy lachte leise. „Es ist wirklich äußerst anspruchsvoll die ganzen Studentenpartys und das Studium unter einen Hut zu bringen.", „Ahhjah.", erwiderte Zora nur spöttisch. „Was, da ist eine Menge Timing erforderlich.", erläuterte er weiter. Es gelang ihm dabei jedoch nicht ganz völlig ernst zu bleiben. „Nein, jetzt mal im Ernst. Es ist schon hart. Vor allem, da im ersten Semester echt gesiebt wird. Aber man gewöhnt sich an alles und so lange du ein bisschen was tust ist das alles gut zu schaffen. Also ich habe bis jetzt alle Klausuren bestanden und dann kann das ja wohl nicht so schwer sein." Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette und drückte den Stumpf aus.