Siebenundachtzig

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Am Mittag war Zora mit Liv bei Nat zum lernen verabredet. Denn auch wenn sie alle drei ihre Prüfung in einem anderen Fach hatten, wollten sie sich so gegenseitig zwingen, sich zumindest für ein paar Stunden mit dem jeweiligen Stoff auseinander zusetzten. Außerdem war es immer von Vorteil Nat dabei zu haben. Es war davon auszugehen, dass er sowohl Livs, als auch Zoras Prüfung, ohne zusätzlichen Lernaufwand, gut, wenn nicht gar besser als die Beiden absolviert hätte.

Zora stellte glücklich fest, dass sie sich nicht wie das fünfte Rad am Wagen fühlte. Leicht Sorgen hatte sie schon gehabt, schließlich war es heute das erste das erste Mal, dass nur sie drei etwas unternahmen. Doch die Sorgen stellten sich als unbegründet heraus; und selbst wenn Nat und Liv ihre süßen Pärchen-Momente hatten, musste Zora heute das erste mal keinen Neid herunter schlucken und irgendwo vergraben, sondern freute sich einfach nur für die Beiden. Hinzu kam, dass sie sich völlig unabhängig von dem was sie gerade tat auf den Abend freute, denn sie hatte mit Jane abgemacht, dass sie telefonieren wollten.


Jane blickte auf den Hörer. Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. 1h 24min 16sek. Gestern waren es fast zwei Stunden gewesen, am Samstag Abend nur eine halbe Stunde, da Zora mit Freunden unterwegs gewesen war. Am Freitag hatten sie auch telefoniert. Wer hätte gedacht, dass man so lange über eine Abiprüfung im Fach Geschichte, nervige Kunden und gute Musik reden konnte. Und wer hätte vor allem gedacht, dass Jane danach immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht einschlief. Diese Laune übertrug sie scheinbar auch auf den Tag. Zumindest hatte Lina sie heute mit leichtem Unglauben gemustert, als sie auch nach einem wirklich miesen Meeting immer noch bestens gelaunt gewesen war. „Was immer du nimmst, ich will es auch haben.", hatte sie unter einem Kopfschütteln gemurmelt. Jane hatte nur mit den Schultern gezuckt und geschmunzelt. Sie war glücklich und sie wusste nicht, wann das das letzte Mal der Fall gewesen war, ob sie sich überhaupt je so gefühlt hatte. Diese Mädchen hatte irgendetwas mit ihr angestellt und sie wollte es gar nicht mehr hinterfragen, sondern einfach im hier und jetzt leben. Und deshalb würde sie sich auch morgen einen Urlaubstag gönnen.

Jane hatte ihren Wagen gegenüber vom Schultor geparkt. Um kurz nach elf verließ Zora zusammen mit einem Schwarm von Schülern das Schulgebäude. Sie unterhielt sich mit einem großen, schlaksigen Jungen, der ein rotes Karohemd trug. Als Zora Janes Auto entdeckte sprach schieres Unglauben aus ihrem Gesicht und wich dann ganz schnell einem breiten Lächeln. Faszinierend, wie wenig es brauchte, um Janes Magen zum flattern zu bringen. Ihr ganzer Körper war wie elektrisiert. Zora rief dem Jungen noch ewas zu und eilte dann über die Straße zur Beifahrertür, um Jane mit einem Wangenküsschen und einer festen Umarmung zu begrüßen. „Hey.", brachte sie gerade so, etwas außer Atem hervor. „Guten Morgen. Wie lief es?", erwiderte Jane. Zora schloss die Tür. „Gut. Aber was machst du hier? Solltest du nicht arbeiten?" Jane startete den Motor und fuhr an, bevor sie antwortete. „Ich hole dich von der Schule ab und ich habe mir Urlaub genommen. Ich nehme mal an das war Nat?", riet sie.

Zora starrte sie immer noch völlig perplex von der Seite an und schloss dann ihren Sicherheitsgurt, als sich das Auto mit einem lauten PLING beschwerte, dass sie noch nicht angeschnallt war. „Und wohin fahren wir?", hakte Zora weiter nach, als Jane nicht fortfuhr. „Siehst du schon noch.", erwiderte diese mit einem verschmitzten Blick zu Zora. Zora zog die Augenbrauen zusammen, zuckte mit den Schultern und ergab sich scheinbar. „Also, wie lief es?", kam Jane auf ihre ursprüngliche Frage zurück.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt