Fünfundsechzig

4K 222 3
                                    


Liv hatte, nachdem Zora brav Bericht erstattet hatte, noch erzählt, was sie selbst mit der prüfungsfreien Zeit angestellt hatte. Zusammengefasst hatte sie jede Minute mit Nat verbracht und furchtbar süße Pärchen-Sachen gemacht. Zora blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie könnte jetzt noch stundenlang hier liegen, Nat und Liv um ihre Zweisamkeit beneiden und sonst was in die vergangenen drei Tage hinein interpretieren, oder produktiv werden. Sie schaffte es tatsächlich sich aufzuraffen, packte ihren Koffer aus, räumte ihr Zimmer auf und schmiss die Waschmaschine an. Anschließend schrieb sie Herrn Niggenbölling eine Mail mit einer Praktikumsanfrage und antwortete danach sogar Andy ausführlich. Sie erklärte ihre Absage vom Vortag und fragte, ob sie das versäumte Treffen nicht bei Zeiten nachholen sollten. 'Denn warum sollten sie das auch nicht tun?', sagte sie sich. Andy war heiß, und dazu noch charmant und aufmerksam. So jemandem musste man doch einfach ein Chance geben. Sie konnte ihn ja schlecht abblitzen lassen, ohne ihn auch nur im Ansatz richtig kennenzulernen; und bisher hatte er nun wirklich alles richtig gemacht. Sie war gerade im Begriff ihr Handy wegzulegen, als eine What's App von Jane eintraf. Keine Textnachricht, sondern eine Datei. Verwundert öffnete Zora zunächst den Chat und dann das Bild. Ihre Bahntickets für die Rückfahrt. Sie musste sie im Auto liegen gelassen haben. 'Die lagen bei mir im Auto :)' Zora griff in ihre Handtasche auf der Suche nach ihrem Portemonnaie. Ein Blick ins Innere bestätigte ihre Vermutung, dass das Fach für die BahnCard leer war. Diese hatte sie zusammen mit den Fahrtickets in dem Umschlag gehabt. Sie wollte Jane gerade antworten, dass sie die abgelaufenen Karten nicht wegschmeißen sollte, als eine dritte Nachricht einging. 'Bist du zu Hause? Dann bringe ich dir die BahnCard eben vorbei.' Auf Zoras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. So ging das natürlich auch. 'Super, danke. Wann bist du hier?', erwiderte sie und Janes Antwort kam umgehend, sie würde in ca. zwei Stunden da sein. Bestens gelaunt lief Zora die Treppe herunter, um nach der Waschmaschine zu sehen und stieß dabei fast mit ihrer Mutter zusammen. „Oh, sorry.", entschuldigte sie sich und stand schon mit einem Fuß in der Abstellkammer, als ihre Mutter ihr hinterher rief: „Hey, warte mal kurz. Willst du heute noch weg?" Zora drehte sich zu ihrer Mutter um, die auf der Treppe stand. „Ist nicht geplant, wieso?", „Naja es ist Samstag Abend und ich fahre um halb sieben. Wenn du noch irgendwo hin willst und ich dich fahren soll, sag Bescheid.", erwiderte ihr Mutter. „Nene, ich bleibe hier. Aber danke trotzdem.", antwortete Zora. Ihre Mutter sah sie zweifelnd an und fuhr dann noch einmal fort: „Machst du denn gar nicht mit Nat oder Liv? Sind die beide anderweitig verplant?"

Zora verdreht innerlich die Augen. Das war typisch für ihre Mutter, sich völlig grundlos Sorgen zu machen, weil ihre Tochter nicht drei Mal pro Woche ausging. Der Gedanke, dass sie es wirklich vorzog gemütlich in ihrem Bett zu lesen oder ein paar Serien zu suchten, kam ihr gar nicht in den Sinn. Aber es war ja gut gemeint. „Die sind zusammen bei einem Konzert im Freischütz.", antwortete Zora wahrheitsgemäß und versetzte ihre Mutter damit in den super-besorgte-Mama-Modus. „Ohne dich? Aber wieso das denn?" Sie bedachte Zora mit einem fürsorglich-mitfühlenden Blick. Zora war jetzt kurz davor wirklich die Augen zu verdrehen, ermahnte sich dann aber im letzten Moment erneut, dass ihre Mutter ja die besten Absichten hegte. „Naja, die Beiden wollen glaube ich ein bisschen Zeit zu zweit verbringen.", erläuterte sie deshalb ohne Augenverdrehen. „Nat und Liv?", kam es daraufhin erstaunt von ihrer Mutter, die sie nun forsch anblickte, neugierig auf die weitere Erläuterung. Ihre Mutter war wahrlich eine Klatschtante.

„Ja, Nat und Liv. Glaub mir, ich war auch überrascht. Aber du weißt von nichts! Ich weiß nicht, wie offiziell das Ganze ist.", gab sie dem Wunsch ihrer Mutter nach, um dann die Waschmaschine zu entleeren. „Meine Lippen sind versiegelt.", versprach ihre Mutter und Zora nahm aus dem Augenwinkel war, wie sie mit ihrem Finger über den Mund fuhr, um dann einen fiktiven Schlüssel über die Schulter zu werfen. Manchmal hatte es wirklich den Anschein, dass sie die Erwachsene in diesem Haushalt war, und nicht ihre Mutter. Hoffentlich würde sich diese auch an ihr Versprechen halten und die Neuigkeiten nicht überall rumposaunen, denn Zora wollte definitiv nicht dafür verantwortlich sein, wenn Nats oder Livs Eltern über Dritte von der Bekanntschaft ihrer Sprösslinge erfuhren. Schließlich waren beide Elternpaare etwas eigen und bei Weitem nicht so entspannt, wie Zoras Mutter, deren größte Sorge es scheinbar tatsächlich war, dass ihre Tochter zu wenig auf Partys unterwegs war und noch keine Armee von Exfreunden aufweisen konnte.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt