Einhundert

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Zora hatte den ersten Streit bei Liv und Nat verpasst, wie sich heraus stellte. Diesen schilderte Liv in der nächsten Stunde detailreich, während sie noch kurz in einen Supermarkt sprangen, um Getränke zum Vorglühen zu kaufen und es sich anschließend mit einem Hugo bei Liv gemütlich machten.

Auslöser des Ganzen war gewesen, dass Nats Eltern wohl immer noch davon ausgegangen waren, dass er in Zoras Begleitung zum Abiball gehen würde, was Liv verständlicherweise gekränkt hatte. Nat hatte diese Fragestellung – typisch Kerl – versucht zu umschiffen. Er hatte wahrscheinlich gar nicht die Notwendigkeit gesehen sich seinen Eltern groß mitzuteilen, vermutete Zora. Die Sitzordnung stand ohnehin schon seit Wochen fest und ließ sich nicht mehr ändern. Die Familien würden eh gegen elf vor dem Afterball langsam aber sicher abziehen und zudem war das bei ihnen ja nicht so relevant, wie in den amerikanischen High-School-Filmen, ob man ein Date hatte oder eben auch nicht. Technisch gesehen änderte es also wirklich nicht viel, wer jetzt Nats offizielles Date war. Aber Liv war der Ansicht gewesen, dass Nat nicht zu ihr stand und dadurch natürlich verletzt. Sie hatte geschlussfolgert, dass Nat die Beziehung nicht ernst nahm und sie als kurzfristige Affäre für den Sommer sah.

Das alles war selbstverständlich totaler Schwachsinn, Nat war hoffnungslos in Liv verschossen und hatte sogar bei der Wahl seines Studienortes die mögliche Entfernung zu Liv zu einem Kriterium gemacht. Wenn überhaupt meinte er es vielleicht ein wenig zu ernst. Aber so war Liv nun einmal, sie analysierte alles so weit, bis es zum Supergau kam. Nachdem Liv Nats Anrufe und Nachrichten dann einen ganzen Abend lang ignoriert hatte, war er am nächsten Morgen reumütig mit einem Strauß Rosen bei ihr aufgelaufen und hatte sie zum Essen mit seinen Eltern eingeladen, um sie als seine Freundin vorzustellen. Dieses Essen war laut Liv super harmonisch verlaufen. Wobei Zora sich ziemlich sicher war, dass zumindest Nats Mutter der neuen Freundin ihres Sohnes noch mit Skepsis gegenüber stand. Nats Vater war vermutlich im wesentlichen anerkennend Livs umwerfendes Äußeres registriert und es dann aber auch dabei belassen. Er war der typische entspannte Vater mit der Weitsicht, dass sein Sohn vermutlich noch einige Flammen nach Hause bringen würde, bevor es ernst wurde. Zora hatte er erst nach einem guten Jahr zuordnen können und so hielt er es mit sämtlichen Freunden und Freundinnen seiner Söhne. In Livs Welt war nach diesem Essen aber alles wieder gut. Sie schwebte erneut auf Wolke sieben und war der Ansicht, dass dieser erste Streit eine Probe für ihre Beziehung gewesen war und sie nur noch stärker gemacht hatte. Vermutlich brauchte das Mädchen auch einfach ein wenig Drama.

Liv und Zora verbrachten gute zwei Stunden damit Hugo zu trinken und sich viel zu viele Gedanken um die Wahl von Makeup und Outfit zu machen, wenn man bedachte, dass sie nur auf ein popeliges Schützenfest gingen und um spätestens halb elf eh alle Welt sturzbesoffen wäre. Kurz bevor sie aufbrachen befand Liv dann, dass sie noch Tequila nötig hatten, um in Stimmung zu kommen, was Zora in Anbetracht der Schlagermusik, die sie die ganze Nacht zudröhnen würde, nicht ablehnte. Sie begaben sich auf der Suche nach Zitronen und Salz in die Küche. Beides war schnell gefunden und Liv machte sich daran eine Zitrone zu vierteln. Die Tequilashots tranken sie sehr stilvoll direkt über der Spüle.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt