Janes Antwort hatte definitiv einen zynischen Unterton. „Die Freuden der Selbstständigkeit.", „Dafür kannst du dir einfach so spontan frei nehmen.", warf Zora ein. Jane neigte zustimmend des Kopf. „Auch wieder war." Sie schenkte Zora ein warmes Lächeln. „Ich mache meinen Job ja gerne und habe auch kein Problem damit am Wochenende zu arbeiten, aber wenn man sich stundenlang mit eigenwilligen Kunden, ihren Sonderwünschen und Stimmungsschwankungen rumschlägt, anstatt tatsächlich etwas zu schaffen, ist das schon frustrierend.", „Habt ihr euch denn zumindest geeinigt?", hakte Zora weiter nach. Jane schüttelte den Kopf. „Aber lass uns nicht davon reden, damit kann ich mich auch morgen weiter rumärgern.", „Gut.", willigte Zora ein und blickte Jane mit einem schiefen Lächeln in die Augen, bevor sie ihre Lippen auf die von Jane sinken ließ. Diese hatte ihre nervigen Kunden anscheinend ganz schnell vergessen, ganz damit beschäftigt einander näher kennenzulernen und sich vorsichtig vorzutasten.
Es blieben zwar sämtliche Kleidungstücke an Ort und Stelle, auch wenn Zoras Pulli zwischenzeitlich ein wenig nach oben rutschte und Jane ihren Rücken streifte. Aber das Ganze war definitiv weniger unschuldig als ihre bisherigen Küsse. Zora war ziemlich außer Atmen, als sie sich wieder von Jane löste, um dann mit dem Zeigefinger deren Gesicht nachzuzeichnen. Sie konnte gar nicht anders, als breit zu Lächeln. „Wenn wir jetzt aber nicht umschalten verpassen wir über unseren schönen Zeitvertreib noch Game of Thrones." Sie wies mit dem Kopf auf den TV-Bildschirm. Jane neigte übertrieben nachdenklich den Kopf. „Dafür müsste ich aufstehen, und das Tablet anschließen. Willst du das wirklich?" Ihre Lippen umspielte ein beinahe verruchtes Lächeln. Zora drückte ihr kichernd einen letzten Kuss auf, bevor sie von ihr herunter rollte. „Ja, das will ich wirklich.", „Na gut.", erwiderte Jane mit einem Augenverdrehen, bevor sie sich aufhiefte, um den Fernseher einzustellen. Allerdings nicht ohne dabei noch einmal kurz Zoras Haarsträhnen, die sich gelöst hatten zu justieren.
Als Zora an diesem Abend vermutlich ein wenig zu spät im Bett lag, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Morgen ihr erster Arbeitstag war, bekam sie das Grinsen einfach nicht mehr aus dem Gesicht. Sie war Jane nach dem heutigen Tag endgültig gänzlich verfallen, das ließ sich gar nicht mehr bestreiten. Hinzu kam, dass Liv von ihrem Glück wusste und sich für sie freute. Sie hatte ihrer besten Freundin zwar nicht allzu viele Details anvertraut, aber Liv hatte schon im voraus von dem Überraschungsfrühstück gewusst und Zora hatte ihr auch erzählt, dass sie heute Abend mit Jane verabredet gewesen war. Es tat gut sich mitzuteilen und wenn es auch noch nur sehr wage war. Natürlich sah sie trotzdem auf welchem dünnen Eis sie sich bewegten, vor allem jetzt, wo sie alleine war und nicht total von Janes purer Präsenz eingenommen wurde. Auf dem Papier ergab diese Beziehung, oder was auch immer sie da taten absolut keinen Sinn. Der Altersunterschied war zu groß, sie waren an völlig verschiedenen Punkten im Leben und kamen aus verschiedenen Welten. Und doch schwebte Zora nach diesem Abend auf Wolke sieben.
Dieses Hoch musste sie sich die nächsten Tage auch erhalten, denn obwohl sie jetzt nur noch wenige Minuten voneinander entfernt wohnten beanspruchte das Praktikum Zora deutlich mehr, als sie erwartet hatte und auch Jane schob zu Beginn der neuen Woche einige Überstunden, sodass es zu keinem weiteren Treffen mehr kam. Am Donnerstag ergab sich dann aber endlich die Möglichkeit. Nachdem sie am Mittwoch bereits ihre ersten Überstunden geschoben hatte, war ihr heute eine verlängerte Mittagspause vergönnt, in der sie sich mit Jane zum Lunch verabredet hatte. Da sie früher dran war als geplant, legte sie noch einen Zwischenstopp bei Starbucks ein, um zwei Frappés zu kaufen. Die beiden Getränke in der Hand betrat sie den Bürokomplex, wo ihr sofort wieder bewusst wurde, wie deplatziert sie in ihrem Aufzug wirken musste. Weiße Chucks, Jeggings, Top und Jeansjacke. Sie verbot sich aber jeden Minderwertigkeitskomplex, schließlich fühlte sie sich in ihrem Casual-Look eh deutlich wohler, als in gewollt seriöser Garderobe. Außerdem hatte sie während Jane sie das erste Mal ins Auge gefasst hatte auch nicht anders ausgesehen. Als sie gerade am Empfang vorbei war traf sie auf Max, der erst ziemlich unbeteiligt durch sie hindurch sah, um sie dann als er sie registrierte fragend zu mustern. „Huch, hallo. Was machst du denn hier?" Er scannte noch einmal prüfend ihr Outfit, dies tat er allerdings nicht abwertend, sondern ehrlich irritiert, was ja auch durchaus nachvollziehbar war. Zora hielt die beiden Kaffeebecher in die Höhe, als würde das ihr Aufkreuzen erklären, bevor sie erläuterte: „Ich bin mit Ja... Frau Neuhäuser zum Mittagessen verabredet." Max neigte zustimmend den Kopf. „Aha. Na dann mal viel Glück. Ihre Stimmung war definitiv schonmal besser." Er wirkte eindeutig gestresst, wobei er das wohl auf die Launen seiner Chefin und nicht auf die extravaganten Wünsche eines Kunden zurück führte.
Jane als nervige Chefin. So hatte Zora das noch gar nicht betrachtet, obwohl es wohl nur natürlich war, dass in einem konkurrenzfähigen Unternehmen nicht immer alles 'Friede-Freude-Eierkuchen' war. Gut, dass sie heute und vermutlich auch in Zukunft nur noch rein privat hier war, auch wenn sie Max das definitiv nicht auf die Nase binden würde. „Danke. Dann ist es ja gut, dass ich Nervennahrung dabei habe.", erwiderte sie somit lediglich, während sie erneut die Frappés in die Höhe hielt, bevor sie nach einem Klopfen Janes Büro betrat.
DU LIEST GERADE
fragile (GirlxGirl)
RomanceIhr erstes Aufeinandertreffen ist denkbar belanglos und doch hinterlässt die Abiturientin Zora einen bleibenden Eindruck bei der angesehenen Architektin Jane, der diese bald zwingt ihre fundamentalen Grundsätze zu hinterfragen. Cover by @writersfate