Achtundvierzig

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Doch als Zora abends in ihrem Bett lag hing sie dem Gespräch noch nach. Selbst wenn Nat und Liv ihr Zusammensein morgen zum größten Fehler ihres Lebens erklärten und es nie eine richtige Beziehung würde, für den Moment waren sie Beide völlig verzaubert. Liv bezeichnete Nat als Jackpot und fühlte sich von ihm verstanden, während Nat es kaum fassen konnte, das Liv ihn auch nur wahrnahm. Sie waren beide der Ansicht den anderen gar nicht zu verdienen. So sollte es am Anfang einer Beziehung sein. Rosarote Brille und Schmetterlinge im Bauch. Warum konnte Zora nicht so empfinden? War sie denn so ein eiskaltes Monster? Oder musste sie einfach Mal ins eiskalte Wasser springen, um überhaupt an diesen Punkt zu gelangen? Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen je so für Andreas, oder auch sonst einem Kerl, dem sie bisher begegnet war zu empfinden. Frustriert drehte sie sich auf die Seite, um den Kopf frei zu kriegen und einzuschlafen. Immerhin konnte sie sich auf die drei Tage bei Jane freuen, da musste sie sich auch um keine Kerle scheren.


Die Studentenscharen strömten aus dem Hörsaal. Zora jedoch ließ sich Zeit mit dem Einräumen ihrer Sachen. Sie saß in der vorletzten Reihe von oben, ziemlich mittig und behinderte somit auch niemanden. Um neun hatte sie einen Termin bei der Studienberatung gehabt, sich anschließend eine Vorlesung angesehen, Entwerfen II. Anschließend war sie zu den offenen Sprechzeiten der Fachschaft gegangen, wo sie Robert kennengelernt hatte, der im ersten Mastersemester war. Mit ihm war sie auch in der Mensa Mittagessen gewesen. Als sie ihm erzählt hatte, dass sie bei Neuhäuser einen Praktikumsplatz sicher hatte, erstarrte er so ziemlich vor Ehrfurcht. Danach war sie noch in die Bauphysikvorlesung gegangen und hatte sich dann von 16-17 Uhr eine Tragkonstruktionsübung angesehen. Da die Übung schon um viertel vor beendet wurde hatte sie allerdings noch Zeit. Jane würde sie erst um zehn nach abholen.

Als eine der Letzten verließ sie den Hörsaal. Nachdem sie ihren kleinen Koffer beim Portier abgeholt hatte – dieser war so nett gewesen ihn für den Tag zu verwahren, damit Zora ihn nicht den ganzen Tag mit sich herum schleppen musste – blieben ihr immer noch zwanzig Minuten. Sie zog sich noch einen Kaffee am Automaten, um das Warten zu überbrücken. Im Nachhinein war Koffein zwar eine denkbar hirnrissige Idee gewesen, aber sie musste irgendetwas in den Händen halten, sonst würde sie noch wahnsinnig. Weshalb sie so nervös war konnte sie sich selbst nicht so ganz klar machen, an diesem Abend musste sie schließlich noch nichts beweisen. Bei ihrem ersten Schluck Kaffee, den sie viel zu schnell trank, verbrannte sie sich natürlich den ganzen Mund. Sie musste sich wirklich schleunigst beruhigen.

Leichter gesagt, als getan. Um kurz nach fünf hatte sie den Kaffee komplett herunter gestürzt und begab sich zu dem vereinbarten Treffpunkt, etwa 500m vom Architekturgebäude entfernt. Fahrig fischte sie ihr Handy aus ihrer Umhängetasche: 17:04. Das hieß es verblieben noch sechs Minuten. Unruhig zupfte sie an ihrem im Nacken sitzenden Dutt herum, blickte nach links, nach rechts, wieder nach links. Cool bleiben, mahnte sie sich selbst. Jane würde noch etwas brauchen und es gab sowieso keinen Grund so hibbelig zu sein, sie hatte doch schon einmal mit Jane gegessen; und es war gut gelaufen, sonst stände sie jetzt nicht hier. Obwohl es definitiv nicht geholfen hatte Robert zu treffen, der Jane so ziemlich zur lebenden Gottheit erklärt hatte. Zoras zappeliges Warten dauerte zum Glück nicht länger an, denn in diesem Moment bog Janes SUV um die Straßenecke, um dann vor Zora zu halten. Zaghaft öffnete sie die Beifahrertür.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt