Einhundertvierundzwanzig

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So saßen sie eine ganze Weile da, mehrere Songs. Nat setzte sich irgendwann einfach schweigend zu ihnen. Freunde waren doch das Allerbeste und auch das Allerwichtigste, dachte Zora, wie sie da so saß. So klischeehaft das auch klang. Selbst wenn ihre erste Beziehung gescheitert war, bevor man sie überhaupt richtig als solche hatte bezeichnen können und ihr Vater nach über 19 Jahren auf einmal beschlossen hatte mit ihr in Kontakt zu treten, drehte sich die Erde weiter. Zora musste sich nicht über ihre Beziehung definieren. Sie würde das alles schon irgendwie hinkriegen, erst recht mit so unbezahlbar guten Freunden an ihrer Seite.

Zora schubste die Beiden schließlich fast schon gewaltsam auf die Tanzfläche. Gute Freunde hin oder her, Liv und Nat mussten sich ja trotzdem nicht von ihrer schlechten Laune den Abiball verderben lassen. Als Andy sie dann kurze Zeit später wieder ausfindig gemacht hatte war es erstaunlich einfach ihn abzuweisen. Damit tat sie heute zumindest einmal definitiv das Richtige und schließlich war es auch ihm gegenüber nur fair. Denn selbst wenn es bei ihr nun ganz offensichtlich niemanden mehr gab, war das auch nie der Grund gewesen, weshalb sie nichts von ihm wollte. Der Grund dafür, dass sie nichts von ihm wollte, war dass sie nichts von ihm wollte. Das bedurfte keinerlei Rechtfertigung. Sie war nicht verpflichtet mit irgendwem auszugehen, nur weil er nett und charmant war oder gut aussah. Selbst wenn sie auf Männer gestanden hätte konnte sie einfach ohne eine weitere Begründung nein sagen.

Auf ihr „Nein danke. Ich glaube wir sollten das lieber lassen." reagierte er mit einem „Okay." und einem Schulterzucken. Die Welt konnte doch so einfach sein. Mit sich selbst zufrieden, dass sie zumindest das auf die Kette bekommen hatte, begab sie sich in Richtung Cocktailstand. Die süße Köstlichkeit in der Hand nahm sie in einer abgelegenen Ecke Platz. Es tat definitiv gut zu sitzen. Selbst wenn sie den Abend bisher kaum gestanden hatte, taten ihre Füße dennoch höllisch weh. Sie stakste schon mehr, als das sie ging. Staksen war wirklich die einzig annehmbare Beschreibung. Jane hatte recht gehabt, Zora bereute ihre Schuhwahl jetzt schon und es war noch nicht einmal zwölf, geschweige denn hatte sie die Tanzfläche betreten. Liv würde es wohl kaum anders gehen.

Auf der Tanzfläche fiel ihr Kistina ins Auge, die dort über beide Ohren grinsend mit ihrer Begleitung stand. Einem durchtrainierten zwei Meter Mann mit Rastas. Unbestreitbar gut aussehend, erst recht in dem Anzug, den er trug. Wer hätte das gedacht. Kristina, der Weirdo, die Außenseiterin. Die Alternative, die von den meisten immer leicht schief angesehen wurde; von wegen Mauerblümchen.

Die Beiden hatten für einige buchstäblich offene Münder gesorgt. Da musste man sich doch einfach für die Zwei freuen. Und doch war Zora vornehmlich wehmütig. Da war es nur natürlich, dass sie wenige Minuten später durch ihr Handy scrollte und bei dem Chatverlauf mit Jane hängen blieb. In Retrospektive hatte Jane ja wirklich recht gehabt. Die Aktion mit Andy war einfach nur dumm gewesen. Zora hätte von vornherein ehrlich sein sollen. Allerdings hatte sie nie aktiv geplant irgendetwas falsch darzustellen, sowie Jane es ihr vorgeworfen hatte. Jane hatte definitiv überreagiert. Andererseits, wie hatte Zora sich aufgeführt, als Jane sich mit Rupert zu diesem Abendessen getroffen hatte? Und das war gerade mal nach ihrem ersten Date, oder noch nicht einmal das gewesen. War es an Zora sich bei ihr zu melden? Wollte sie das überhaupt? Sie ging noch einmal die letzten kurz angebundenen Nachrichten ihres Verlaufs durch.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt