Einundfünfzig

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Im weiteren Verlauf des Abends kam das Thema Rupert nicht mehr auf und sie unterhielten sich die meiste Zeit über extravagante Kunden, für die Jane und Steffi gearbeitet hatten, sowie lustige Meetings, die sie gemeinsam abgehalten hatten. Alles in allem, war es ein sehr angenehmer, unterhaltsamer Abend. Zora hielt sich im Wesentlichen zurück, schien dabei aber alles andere als gelangweilt, sondern schwieg lediglich, da sie, abgesehen von Zwischenfragen schlicht und ergreifend nichts zu der Materie beizutragen konnte. Zum wiederholten Male stellte Jane fest, wie sehr sie diese Tatsache schätzte. Das Mädchen konnte zuhören.

Als sie wieder in Janes Wohnung waren blickte Zora fasziniert in Richtung Dachterrasse. „Wow, das nenne ich mal einen Ausblick!" Jane folgte ihrem Blick. Die Sonne begann gerade unter zu gehen und Zora hatte Recht: Der Ausblick war wirklich malerisch. Doch Jane schenkte dem farbenfrohen Himmelsspektakel kaum Aufmerksamkeit, viel mehr widmete sie sich dem Profil der Teenagerin. Heute trug sie die Haare in einem dicken geflochtenem Zopf. Ihr Outfit bestand aus der Bluse, die sie schon bei ihrem ersten gemeinsamen Abendessen getragen hatte, einem schwarzen, figurbetonten Rock, der knapp über dem Knie endete, einer schwarzen Strumpfhose, Pumps und einer schwarzen Strickjacke. Sie sah umwerfend aus. „Du kannst gerne rausgehen.", erwiderte Jane, während sie in Richtung Küche ging, um eine Weinflasche und zwei Gläser zu holen. Zora war in der Zeit hinaus auf die Terrasse getreten und lehnte an der Brüstung. Als Jane durch die Terrassentür trat löste sie ihren Blick vom Sonnenuntergang und sah zu Jane. Mit einem Grinsen zog sie skeptisch die Augenbrauen nach oben. „Ich bin mir unsicher, ob ich noch mehr Alkohol trinken sollte. Ich will schließlich morgen einen guten Eindruck machen."

Jane schmunzelte und stellte die Gläser auf dem an der Brüstung stehenden Tisch ab. „Ach, das ist doch nur ein Glas und mir ist zu Ohren gekommen, dass deine Chefin bereits eine äußerst positiven ersten Eindruck von dir hat.", erwiderte Jane, während sie die Gläser befüllte. „Trotzdem sollte ich an meinem ersten Tag vielleicht nicht verkatert auf der Arbeit erscheinen. Und ich hatte gerade beim Essen schon zu viel Wein.", konterte Zora. Das stimmte auch. Da sowohl Jane, als auch Steffi hatten fahren müssen, hatte Zora den größten Teil der Weinflasche, die sie bestellt hatten alleine trinken müssen. „Ich dachte du bist gerade in deiner Abizeit. Da solltest du doch trinkfest sein. Ist man da nicht jeden Abend auf irgendeiner Party?", hielt Jane dagegen und sah Zora forsch an. „Ach, lief deine Abizeit so ab?", quittierte Zora das Gesagte mit einer Gegenfrage. Jane wog abwägend den Kopf hin und her. „Bei mir nicht unbedingt, aber bei vielen anderen schon." Zora neigte ihren Kopf. „Siehst du. 'Die Anderen.' So cool bin ich nicht.", dabei nahm sie dann aber doch das Weinglas, das Jane ihr hinhielt. Sie stießen an. „Auf die Chefin, die vermutlich eine viel zu hohe Meinung von mir hat!", prostete sie Jane ein wenig übermütig zu und trank einen Schluck, um dann fortzufahren: „Hmm, der ist gut. - Obwohl ich zugeben muss, dass ich am Freitag auf so einer Party war.", „Das klingt nicht so, als ob es sich gelohnt hätte." Jetzt war es Zora, die abwägend den Kopf schüttelte. „Doch, schon. Es war ganz lustig. Ich schätze so etwas muss man mal mitgemacht haben." Sie zuckte mit den Schultern, trank noch einen kleinen Schluck und stellte ihr Glas zurück auf den Tisch.

„Du hattest bestimmt immer noch mehr Spaß, als ich auf der Party, zu der ich am Freitag eingeladen war.", erwiderte Jane. „So grausam?", hakte Zora nach, nachdem Jane das Ganze zunächst nicht weiter fortführte. „Ich bin nicht der Party-Typ und auf eben dieser Party meinte auch noch ein Großteil der Gäste über meine Bekanntschaften debattieren zu müssen, wie wir eben von Steffi erfahren haben.", antwortete Jane mit fortwährend immer zynischerem Unterton. „Schlussendlich habe ich mich dann die letzte halbe Stunde in ein Nebenzimmer verzogen, um dir auf deine Nachricht zu antworten und bin dann als so ziemlich erste wieder nach Hause gefahren." Zora, die zuvor in den tiefroten Himmel gestarrt hatte, richtete ihren Blick umgehend auf Jane. Ein Kichernd mühsam unterdrückend erwidert sie: „Ich saß den Großteil des Abends alleine draußen und habe dir geantwortet." Dann konnte sie sich nicht mehr halten und lachte ausgelassen laut los. In dem Moment realisierte Jane, dass sie Zora noch nie richtig lachen gesehen hatte. Diese hatte sich bisher immer ein wenig zurück genommen, vermutlich einfach weil Jane eine Respektsperson, höhere Instanz und ihre Chefin war. Da war es nur logisch, dass man professionell wirken wollte. Doch nun hatte sie losgelassen, sei es weil sie mit Jane warm geworden war, oder schlichtweg wegen des Alkohols. Und dieses von Herzen kommende Lachen, schien in eben diesem Moment das schönste zu sein, was Janes Ohren seit langem wahrgenommen hatten.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt