Fünfunddreißig

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Sie hatten zuerst ein wenig Smalltalk betrieben und waren dann aber schnell zum Punkt gekommen, wobei Zora erstaunlich ehrlich gewesen war. Sie war wirklich noch ziemlich unsicher, was die Berufswahl anging und Jane hatte vorgeschlagen, dass sie doch vielleicht erst einmal für einen Tag bei ihr Reinschnuppern sollte, bevor sie sich für ein mehrwöchiges Praktikum verpflichtete. Dann könnte sie in dem Zuge auch noch einen Tag bei Steffi vorbeischauen und die Uni in Düsseldorf besichtigen. Währenddessen hatte Zora dann noch weitere Sympathiepunkte gewonnen, als sie einen kleinen Notizblock hervor gezogen hatte, anstatt sich die Anschrift von Steffis Büro im Handy zu notieren.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs blieben sie dann bei persönlichen, aber unverfänglichen Themen. So stellten sie noch fest, dass sie Beide eine strikte Abneigung gegen eBookReader hegten und gleichzeitig ohne Netflix total aufgeschmissen wären. Zora erkundigte sich, wie es Janes Eltern ging und sie konnten sich darauf einigen, dass Sherlock so ziemlich das grandioseste war, was ein staatlich finanzierter Fernsehsender je hervor gebracht hatte. Sehr zu Zoras Missfallen musste Jane im Zuge des Themas TV-Serien und BBC dann allerdings gestehen, dass sie noch nie auch nur eine Doctor Who Folge gesehen hatte.

Außerdem stellten sie fest, dass sie zur selben Schule gegangen waren und dementsprechend auch einige gemeinsame Lehrer gehabt hatten. Hier waren sie sich bei der Einschätzung der einzelnen Lehrkräfte wieder ziemlich einig. „Okay, Geschichte bei Frau Kneer sollte wirklich machbar sein, da musst du ja echt nicht viel lernen." Zora schüttelte zweifelnd den Kopf und erwiderte: „Sag das nicht zu laut. Je mehr Leute mich in dieser Auffassung bestätigen, desto weniger mache ich am Ende." Jane hob abwehrend die Hände. „Okay, okay, dann habe ich nichts gesagt. Wann ist die Prüfung denn?", „Erst in drei Wochen. Ich kann mir also erstmal noch ein wenig Freizeit gönnen." Zora nahm noch einen Schluck Cola. „Naja, oder du machst deinen Probetag bei uns. Von mir aus kannst du direkt nächste Woche kommen. Ich müsste natürlich noch mit Steffi, wegen dem konkreten Termin sprechen, aber das sollte kein Problem sein.", warf Jane ein und sah Zora erwartungsvoll an. Diese sah sie mit großen Auge an. „So schnell? Gerne! Ich muss nur noch schauen, dass ich so kurzfristig eine Bleibe in Düsseldorf finde. Aber das sollte ja zu machen sein, vor allem wenn es erst einmal nur zwei oder drei Nächte sind.", antwortete sie zuversichtlich. Da kam der Kellner um ihre leeren Teller abzuräumen. „Kann ich ihnen noch etwas bringen?" Jane bestellte einen Capuccino, Zora einen Espresso. Nachdem sie wieder alleine waren ergriff Jane das Wort: „ Ich fürchte, dass ich dich dann gleich so langsam wieder verlassen muss, schließlich will ich noch zurück nach Düsseldorf fahren. So gerne ich auch noch etwas bleiben würde.", „Natürlich.", erwiderte Zora. „Hast du denn schon konkrete Tage vorgesehen, für nächste Woche?" Jane schüttelte den Kopf. „Da muss ich leider passen. Ich muss erst noch mit Steffi sprechen, wann es ihr passt und vor allem in meinen Terminkalender schauen; ich will ja auch Zeit für dich haben. Wir wollen doch das meiste aus dem Tag rausholen, wenn wir uns schon vorerst nur auf einen beschränken. Wann passt es dir denn am besten?" Zora zuckte leicht mit den Schultern. „Ich bin noch nicht groß verplant und das hätte ja sowieso Priorität. Ich frage nur, weil ich mich noch um meine Unterkunft kümmern muss." Jane trank ihren letzten Schluck Wein. „Achso. Ich werde dir sofort Bescheid geben, wenn ich mehr weiß. Aber du kannst für die Zeit auch sehr gerne bei mir wohnen."

Zora ließ die Haustür hinter sich ins Schloss fallen. Der Abend war ganz anders verlaufen, als sie es sich vorgestellt hatte, auch wenn sie nicht wirklich benennen konnte, was sie sich vorgestellt hatte. Sie hatte lange nicht mehr so gelacht. Jane war wirklich toll. Unglaublich intelligent und schlagfertig, dabei jedoch nicht überheblich oder herablassend. Zora war sich nie zur unerfahrenen Schülerin degradiert vorgekommen, hatte im totalen Gegenteil dazu den Eindruck gehabt ernst genommen worden zu sein, was sie wiederum für ihre Verhältnisse selbstsicher gemacht hatte. Sie war aber schon ein wenig geschockt gewesen, dass Jane sie zu sich nach Hause eingeladen hatte. Einfach so, als würden sie sich nicht erst seit einer Woche kennen.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt