Einhundertsechs

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„Jazz?", echote Zora verwundert. „Theoretisch gesehen habe ich noch zwei Karten für ein Konzert morgen Abend. Aber nur wenn du wirklich Lust hast. Ich hatte ehrlich gesagt schon völlig vergessen, dass ich die Karten habe, bis sie mir gestern wieder in die Hände gefallen sind.", erläuterte Jane. „Nein, gerne. Aber wie kommst du an die Karten?", „Die hat Lina mir überlassen, wir wollten da eigentlich zusammen hin, aber sie ist jetzt über das Pfingstwochenende in den Urlaub gefahren. Sicher, dass du mit zu einem Jazzkonzert willst? Ich kann verstehen, dass das nicht jedermanns Sache ist.", hakte Jane noch einmal nach. Sie war selbst ein eher sporadischer Jazz-Fan und nur an die Karten gelangt, weil Linas Mann überhaupt keinen Sinn für Jazz hatte und Lina da aber unbedingt hatte hingehen wollen.

In ihrem Bestreben sich nicht mehr so mit ihrer Arbeit einzuigeln hatte sie zugesagt. Zora würde den Altersdurchschnitt sicherlich immens heben und Jane hatte sie erst gar nicht fragen wollen, im Glauben dass Zora wenn nur ihr zuliebe zusagen würde. Doch Zora schien ehrlich begeistert. „Nein, ganz sicher. Welche Bands spielen da denn?"

Dieses Mädchen war doch wirklich bezaubernd, sinnierte Jane, als sie zusammen mit Zora das Lokal, in dem das Konzert stattgefunden hatte wieder verließ. Sie hatten noch Bekannte von Jane getroffen, Georg und Maren, die sie ursprünglich über Christian kennengelernt hatte und mit denen sie selbst nie zu 100% warm geworden war. Zora war jedoch innerhalb weniger Minuten mit Georg in ein angeregtes Gespräch über das Line-Up vertieft gewesen. Zurückhaltend, aber charmant, wie sie nun einmal war. Jane hatte schnell festgestellt, dass Zora mehr Ahnung von Jazz hatte als sie. Ihr Horizont umfasste da nicht wirklich viel mehr als Amy Winehouse und Michael Bubles Christmas-Album.

Nun waren sie mit den Beiden noch in Richtung einer anderen Bar unterwegs. Und Jane hatte sich Sorgen gemacht Zora könnte aufgrund ihres Alters deplatziert wirken. Wenn überhaupt war sie selbst diejenige, die sich mal wieder zu sehr zurück hielt. Sie erbot sich sofort die Getränke zu holen, als sie das zweite Lokal betraten, um zumindest etwas beizutragen. Da viele Kneipen und Bars an diesem Montag und Feiertag geschlossen hatten war es in der Bar nämlich so voll, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie überhaupt noch einen Tisch bekommen hatten, aber die Bedienungen waren hoffnungslos überlastet.

Als sie wartend am Tresen stand merkte sie, wie Zora sich neben sie schob. „Alles gut bei dir?", kam es vorsichtig von ihr. „Na klar, wieso sollte es das nicht sein?", erwiderte Jane und registrierte dann, dass Zoras Miene ernsthaft besorgt war. „Naja, ich weis nicht. Das sind Freunde von dir." Sie wies mit dem Kopf in Richtung von Georg und Maren, obwohl es so voll war, dass sie die Beiden kaum ausmachen konnten. „Ich dachte vielleicht habe ich es zu weit getrieben und du willst gar nicht, dass wir etwas mit deinen Freunden machen. Du bist so schnell verschwunden. Ich versteh das, echt. Das muss ja nicht so schnell gehen.", fuhr sie schüchtern fort.

Jane begann zu lächeln. „Hey.", sprach sie Zora direkt und von Angesicht zu Angesicht mit warmer Stimme an. Dann schob sie eine der Strähnen, die scheinbar immer ihren eigenen Willen hatten hinter Zoras Ohr. „Es ist wirklich alles gut. Versprochen. Wenn überhaupt stelle ich meine eigenen Jazzkompetenzen in Frage, bei deinem und Georgs Gefachsimpel.", fuhr sie leise lachend fort. „Also spielst du nicht wegen mir die Miss Grumpy?", fragte Zora, nun ebenfalls lachend. „Ich bin gar keine Miss Grumpy.", erwiderte Jane mit nicht ganz ernst zu nehmender Empörung. „Schon ein kleines bisschen.", beharrte Zora. Da kamen ihre ersten Cocktails, die Zora entgegen nahm. Sie war schon dabei sich in Richtung ihres Tisches zu bewegen, als Jane sie aufhielt. „Ich freue mich, dass du dich so gut mit den Beiden verstehst, ehrlich. Einer von uns muss ja intuitive soziale Kompetenzen haben." Dann gab sie Zora noch einen schnellen Kuss auf die Wange, der mehr in Millisekunden dahin gehaucht war, aber Zoras Gesicht leuchtete auf, als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnte. Ihnen Beiden war klar, dass das Maximum an Zuneigung war, was sie sich in der Öffentlichkeit erlaubten.


fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt