Siebenundsechzig

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Zora stockte. Ihr ganzer Bewegungsablauf stockte, sie fror voller Panik ein. Diese Frage war völlig naheliegend und simpel. Dennoch war Zora unfähig zu antworten. Sie starrte die Dose mit Kaffeepulver in ihrer linken Hand an. In der Rechten hielt sie den Messlöffel, vor ihr war ein Filter in der Maschine. Eigentlich konnte sie diese Frage immer sehr gut mit Floskeln umschiffen, aber Jane hatte unbewusst eine so grausam präzise Frage bezüglich Zoras Vater gestellt, dass es unmöglich war mit einer scherzhaften Gegenfrage oder einem lockeren Spruch zu antworten. Zumindest war es Zora in diesem Moment unmöglich, da sie eiskalt überrascht worden war. Denn die traurige Wahrheit war, dass sie es nicht wusste. Möglicherweise war ihr Vater der einsilbigste Mensch auf dem Planeten, vielleicht aber auch hauptberuflicher Comedian, sie wusste es schlicht und ergreifend nicht.

Jane bemerkte Zoras Schockstarre und war feinfühlig genug sie zu erlösen. „Oh, ich wollte nicht... Sorry, da bin ich wohl in ein Fettnäpfchen getreten." Sie stellte sich hinter Zora und legte dieser beschwichtigend ihren Arm auf die Schulter. „Hey, alles in Ordnung?" Zora riss sich zusammen und zwang ihr Hände mit dem Kaffeemachen fortzufahren. „Jah... Ich... Blödes Thema." Sie drückte den On-Knopf und der Kaffee begann durchzulaufen, während sie sich zu Jane umwandte. „Tut mir leid. Ich wusste ja nicht... Sagen wir einfach, ich habe nie gefragt.", wiederholte diese und Zora sah sie dankbar an. „Gut. Danke." Ein ungemütliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

Nachdem der Kaffee fertig war stellte Zora die beiden Tassen auf den Küchentisch. Sie setzten sich. Jane griff in ihre Jackentasche, zog den DB-Umschlag hervor und legte ihn neben Zoras Kaffeetasse. „Hier, bevor ich es vergesse.", „Danke.", erwiderte Zora und trank einen Schluck Kaffee. „Bist du denn heute Abend noch verplant?", bemühte Jane sich das Gespräch in eine unverfängliche Richtung zu lenken. Dankbar ging Zora darauf ein: „Nein. Eine Party pro Wochenende reicht definitiv.", „Sehr vernünftig.", bestätigte Jane schmunzelnd. „Aber geht es nicht zumindest noch Sterne-Gucken mit einem gewissen jungen Mann?", fuhr sie fort. Zora blickte erstaunt auf. „Was...? Woher weist du denn...?", „Na an dem Morgen in der Alten Mühle sprach deine Chefin davon. Und wo du ihn doch schon gestern versetzt hast.", erläuterte Jane und sah Zora fast schon neckend an.

Zora schaltete innerhalb der nächsten Sekunde und begann dann herzhaft zu lachen. „Da schmeißt du jetzt zwei Herren durcheinander.", „Gleich zwei Verehrer?", echote Jane mit gespieltem übertriebenen Entsetzen. Zora schüttelte immer noch lachend den Kopf. „Da hast du ein völlig falsches Bild von mir. Auch wenn Tante Karen das gerne anders hätte ist Nat einfach nur mein bester Freund. Und mit Sterne-Gucken ist kein romantischer Abend gemeint, sondern ein Astrophysik-Nerd, der sich tatsächlich für Astronomie interessiert und Stunden an seinem Teleskop verbringt, während ich ihm Gesellschaft leiste, weil ich nachts gerne draußen bin. Das Ungestörtsein genießen, einfach mal abschalten, in Ruhe Musik hören. Außerdem nehmen wir meistens Luna mit, die hat da vermutlich den meisten Spaß dran.", „Und was macht der beste Freund heute?", hakte Jane weiter nach. „Hat ein Date mit meiner besten Freundin.", antwortete Zora wahrheitsgemäß. „Und die hat kein Problem damit, wenn du mit ihrem Freund... Sorry, geht mich nichts an. Ich frage zu viel." Jane nippte an ihrem Kaffee. Zora winkte ab. „Ach, schon in Ordnung. Das mit den Beiden geht erst seit ein paar Wochen und Nat und ich kennen uns seit dem Kindergarten, da muss sie sich keine Sorgen machen. Außerdem freue ich mich wirklich für die zwei. Sie hatten Beide in der Vergangenheit Pech und hätten einander verdient. Die paar Wochen in denen ich jetzt erstmal abgemeldet bin, weil sie nur aufeinander hängen überlebe ich. Ist ja ganz normal, wenn man frisch zusammen kommt." Zora fuhr mit dem Zeigefinger über den Henkel ihrer Tasse. „Zudem bleibt mir dann in Zukunft vielleicht das Rumgeheule wegen ach so schrecklichen Dates erspart." Sie zuckte mit den Achseln. Und damit hatte sich dieses Gespräch, nachdem sie gerade noch bei ihrem nicht-existenten Vater gewesen waren in Richtung Teenie-Romanzen entwickelt. Bei Jane wusste sie wirklich nie, was als nächstes kommen würde.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt