Siebenundsiebzig

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Und mit diesen Überlegungen fiel Zora von dem Hoch, auf dem sie sich seit gestern Abend befand hinunter und fühlte sich schlagartig ziemlich verloren und allein. Hinzu kamen die Selbstzweifel, dass sie gerade völlig durchdrehte und einfach nur Dinge auf sich selbst projizierte, um Bindungsängste zu überspielen oder weil sie sich alleine gelassen fühlte, da ihre beiden besten Freunde nun miteinander ausgingen. Vielleicht machte sie ja auch gerade eine experimentelle Post-Abi-Phase durch.

Als sie nach einer knappen Stunde ziemlich fertig mit den Nerven zu Hause ankam checkte sie zunächst ihre Mails, einfach um etwas zu tun und siehe da Herr Niggenbölling hatte geantwortet. Enttäuscht las Zora die ersten Zeilen. Er würde prinzipiell keine Schülerpraktika über einen derart kurzen Zeitraum anbieten, freue sich aber über dir Interesse. Niedergeschlagen überflog sie die restlichen Zeilen, die zuerst keinen Sinn zu ergeben schienen. Sie begann den Absatz von Neuem:

'Ich bin aber durchaus gewillt ihnen die Möglichkeit für ein längeres Praktikum über den Sommer einzuräumen, wenn sie bereit sind ihre freie Zeit, für erste detaillierte Berufserfahrung aufzugeben.'

Wollte sie das? Eigentlich hatte sie sich auf einen Sommer des Nichts-Tuns gefreut. Andererseits war sie in der vorletzten Woche schon zwischenzeitlich so ziemlich vor Langeweile umgekommen. Sie beschloss, das es ja nicht schaden konnte, sich erst einmal anzusehen, was genau er sich vorgestellt hatte. Also begann sie ihre Antwort zu tippen. Keine Stunde später hatte sie für den Donnerstag dieser Woche ein Bewerbungsgespräch vereinbart. Na das war doch etwas. Mit ihrer persönlichen Verwirrung, was ihre sexuelle Orientierung anging konnte sie sich ja jederzeit befassen. Jetzt war sie erst einmal produktiv, was ihre berufliche Zukunft anging; und mit dieser positiven Einstellung machte sie sich daran ihre Geschichtsunterlagen für die nächste Woche anstehende mündliche Prüfung durchzugehen. Aber so bemüht sie auch war, nach einer Weile ging ihre Konzentration verloren und ihre Gedanken wanderten wieder zu der charismatischen Architektin, die sie binnen einer halben Woche derart verzaubert hatte.

Jane saß in ihrem Büro, vor ihrem iMac und starrte auf die Pläne eines neuen Projekts, an dem sie seit gestern Nachmittag fieberhaft arbeitete. Doch ihre Blicke schweiften immer wieder zu ihrer Rechten ab, wo am Freitag noch Zora gesessen hatte.

Jane hatte sehr genau gesehen, wie Zora gestockt hatte, als ihr Vater das Essen mit Rupert erwähnt hatte und ihr war auch sehr deutlich aufgegangen, dass Zora sie danach keines einzigen Blickes gewürdigt hatte und Karen das kassieren übernommen hatte. Jane war vollkommen überfordert, was sie mit dieser Tatsache anfangen sollte. Zora hatte also erwartet, oder zumindest gehofft, dass es irgendeine Fortsetzung von ihrem kleinen Ausflug am Samstag geben würde und sah Rupert als Konkurrenz. Aber was wollte Jane? Auch wenn sie sich am Samstag gesagt hatte, dass sie sich Zora aus dem Kopf schlagen sollte, war sie am Sonntagmorgen von Vorfreude erfüllt gewesen, bei der Chance Zora zu sehen und ein einziges Lächeln von ihr hatte Janes Laune um ein Vielfaches gesteigert, alles ein bisschen besser gemacht. Nur wo sollte das hinführen?

Unabhängig davon hatte sie gleich eh erst einmal die Verabredung mit Rupert. Diese Verabredung fand in einem ziemlich exklusiven Susi-Restaurant statt, das keine 500m von Ruperts Kunstgalerie entfernt lag. Er erwartete sie bereits vor dem Eingang, begrüßte sie mit einem Wangenkuss und führte sie dann ins Innere. Das Restaurant lag im obersten Stockwerk.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt