Vierundvierzig

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Die Art, wie er sie dabei ansah implizierte, dass er damit unterschwellig definitiv abchecken wollte, ob sie vergeben war, oder nicht. Zora stockte kurz. Noch eine definitiv völlig unerwartete Konstellation an diesem Abend. Niemals hätte sie gedacht, dass sie jetzt hier mit Andy sitzen würde. Dem beliebten, gutaussehenden und durchtrainierten Andy, der anscheinend auch noch einiges auf dem Kasten hatte und sie jetzt mit seinen durchdringenden hellblauen Augen musterte, gespannt auf ihre Antwort. Bevor das Schweigen noch länger wurde, besann sich Zora darauf zu antworten: „Nein. Also doch schon. Es ging um den besagten Aufenthalt in Düsseldorf und wann ich was mache. Das war die Leiterin des Architekturbüros." Andys Miene war halb anerkennend, halb belustigt. „Und mit der schreibst du Freitags Abend um diese Uhrzeit? Du musst ja gut sein." Zora trank einen Schluck von ihrem V+ und genoss den süßen Cola-Geschmack. „Ach, das war der totale Zufall, dass ich da ran gekommen bin. Ich hatte Glück. Wir haben uns bei mir auf der Arbeit kennengelernt. Ich jobbe doch in der Alten Mühle." Andy neigte abwägend den Kopf. „Mach dich da mal nicht kleiner, als du bist. Jeder der Erfolg hat, hat irgendwann einmal von einem glücklichen Zufall profitiert. Und jemanden einfach nur kennenzulernen und danach in eine Firma eingeladen zu werden sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Du bist diejenige, die hier draußen ein Mischbier trinkt und mit ihrer Chefin schreibt, während sich ihr Jahrgang da drin" Er wies auf die Scheune. „mit hartem Alkohol in die Besinnungslosigkeit säuft." Zora lachte. Sie hatte ihren lockeren, minimal spöttischen Unterton wieder gefunden. „Das sagt der Richtige. 'Wenn man ein Bisschen was tut ist das Maschinenbaustudium gut zu schaffen.' Da habe ich aber auch schon ganz anderes gehört.", „Chapeau! Da kann ich mich genauso wenig rausreden." Er grinste sie an und strich sich das blonde Haar, das der Wind zerzaust hatte, aus dem Gesicht. Zora musste ebenfalls grinsen. „Naja, genug vom Ernst des Lebens. Wieso bist du überhaupt hier, wenn du doch so ein Musterstudent bist?" Er sah sie übertrieben gekränkt an. „Dann willst du mich gar nicht hier haben? Ich kann auch gehen, wenn du eigentlich nur einen Kellner gebraucht hast." Er stand auf, sodass Zora dank ihrer guten Manieren natürlich genötigt war ihn aufzuhalten. Lachend ergriff sie seinen Arm. „Hey! Halt, bleib hier. Das war doch nur eine Frage." Andy fasste sich mit dick aufgetragener Erleichterung an sein Herz und sah ihr direkt in de Augen. „Dann bin ich ja beruhigt. Ich will mich auf keinen Fall aufdrängen." Er lächelte sie verschmitzt an. Es war offensichtlich, dass Andy wusste, was er tat. Er war sich seiner Vorzüge, seines Aussehens und seines Charmes voll bewusst und nutzte sie auch gezielt. Und Zora war gewillt dieses Flirt-Spielchen mitzumachen. „Sehr gut. Trotzdem weiß ich immer noch nicht, welchen Umständen ich deine Anwesenheit zu verdanken habe." Er setzte sich wieder hin und saß diesmal deutlich näher neben Zora. Nicht super-aufdringlich nah, aber dafür, dass sie alleine zu zwei Personen auf diesem riesigen Strohballen saßen doch ziemlich nah. „Das Geschenk meiner Anwesenheit verdankst du Timo, Hannah, Caro und den ganzen anderen Chaoten aus meinem Jahrgang, die hier sind. Wir sehen uns kaum noch, sind ja alle in die verschiedensten Himmelsrichtungen verstreut und da bot es sich an sich einfach bei eurer Party einzuklinken, um zumindest die, die so spontan konnten mal wieder zu sehen. Außerdem" Er legte eine kurze, dramatische Pause ein. „hat Peter mich praktisch angefleht zu kommen, da meine Eltern mir in soweit vertrauen, als dass ich hier die Notbremse ziehe, wenn was passiert. Sonst hättet ihr im Stundentakt die Spaßpolizei hier gehabt; und so müssen meine Eltern sich auch nicht die Nacht um die Ohren schlagen.", „Ah, deshalb trinkst du auch verantwortungsbewusst nichts und sitzt hier draußen mit dem langweiligen Mädchen, das zu spießig für die ganzen Trinkspiele ist, anstatt dich mit deinen Freunden zu amüsieren." Sie sah ihn mit massiver Skepsis an, um ihrem Sarkasmus Ausdruck zu verleihen. Obwohl sie mit ihrer Einschätzung wohlmöglich näher an der Realität war, als ihr lieb war. Glücklicherweise schien Andy das anders zu sehen und korrigierte ihre Darstellung umgehend. „Das ist vielleicht ein wenig voreilig kombiniert. Sicherlich sollte ich heute Abend einen klaren Kopf behalten, alles andere wäre kontraproduktiv. Aber dieses Mädchen ist möglicherweise gar nicht spießig, sondern nur vernünftig. Und definitiv nicht langweilig." Zora konnte nicht anders, als sich definitiv geschmeichelt zu fühlen. Schließlich war das nicht irgendein Kerl, sondern ein ziemlich heißes Exemplar.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt