Zwanzig

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Mist, irgendetwas lief definitiv schief in ihrem Leben, wenn Lina derart aus allen Wolken fiel, nur weil sie in Betracht zog eine Einladung anzunehmen. Das war Janes primärer Gedanke, als sie den halb erstaunten, halb zweifelnden Gesichtsausdruck ihrer Freundin sah. Sie musste wirklich etwas ändern. Und so eine Ausstellungseröffnung in Düsseldorfs rennomiertester Kunstgalerie schien doch ein guter Startpunkt, um Teil des gesellschaftlichen Lebens zu werden.

„Ja, wieso denn nicht? Ich habe mir vorgenommen mal wieder ein bisschen mehr unter Leute zu kommen." Lina strahlte ihr förmlich entgegen. „Das freut mich. Wollen wir uns dann um kurz vor sieben am Eingang treffen?" Jane nickte. „Klingt gut." Lina schien noch etwas auf der Zunge zu liegen, doch sie unterbrach sich, bevor sie auch nur das erste Wort gesprochen hatte, nickte Jane zu und verließ das Büro. Doch beim Mittagessen konnte sie ihre Neugier dann nicht mehr bändigen. „Kennst du Herrn Loh eigentlich näher?" Jane sah ihre Freundin erstaunt an. „Ehm, wir kennen uns, aber ich würde nicht sagen, das wir uns näher kennen. Wieso?", „Er schien wirklich sehr interessiert an dir, und da du da heute Abend tatsächlich hingehst dachte ich... Ist auch egal, wie schon gesagt, es geht mich ja auch gar nichts an. Ich will einfach nur, dass du auch mal ein wenig Spaß hast. Du bist immer nur am Arbeiten." Jane stocherte nervös in ihrem Salat herum. Das Thema Beziehung oder auch nur sporadisches Daten hatte sie in den letzten zwei Jahren vollkommen ignoriert, nicht einen Gedanken daran verschwendet. Zum einen, weil sie sich auf ihre Karriere hatte konzentrieren wollen und zum anderen, da ihr schlicht und ergreifend noch kein Mann begegnet war, der in dieser Hinsicht Interesse bei ihr geweckt hätte. So ging es ihr schon immer. Die Schwärmereien anderer Frauen und das große Geheule nach einer Trennung hatte sie nie nachvollziehen können, was vermutlich auch ein Grund dafür war, dass ihre Ehe so katastrophal gescheitert war.

„Naja, ich arbeite einfach gerne.", antwortete Jane ausweichend. Nach einem kurzen Schweigen blickte sie von ihrem Salat auf. Lina schien ihr Gesicht auf der Suche nach Anzeichen für eine Gefühlsregung zu mustern. Dann setzte sie erneut an: „Ich meine, dass du dich nach der Scheidung in Arbeit gestürzt hast verstehe ich ja, aber das ist jetzt schon über zwei Jahre her. Du musst dich vielleicht einfach überwinden, dich neu zu orientieren." Jane seufzte auf und rührte mit dem Strohhalm in ihrer halb leeren Cola Light herum. Das war das Paradoxe an der ganzen Situation. Während sie sich schon kurz nach der Hochzeit hatte eingestehen müssen, dass sie Christian gar nicht richtig liebte, ging der Rest der Welt scheinbar davon aus, dass sie ihm bis heute hinterher trauerte. Gut, das mochte von außen betrachtet auch Sinn ergeben, schließlich hatte er sie mit seiner Assistentin, einer ihrer 'Freundinnen' und Gott weiß noch wem betrogen, aber Jane war vor allem erleichtert gewesen wieder alleine zu wohnen und ihre Ruhe zu haben, als sie sich getrennt hatten.

Sie war ihm noch nicht einmal wirklich böse. Sicherlich betrachtete sie Fremdgehen als das absolute No-Go, aber sie war vermutlich auch eine Anwärterin auf die kälteste und gefühlloseste Ehefrau des Jahres gewesen und hatte jeden seiner Konversationsversuche unterbunden. Mittlerweile war er erneut verlobt, und das mit einer zwölf Jahre jüngeren, während sie seit der Trennung keine einziges Date gehabt hatte. Aber sie wollte das so! Sie hatte mit Beziehungen und Dates nur um der Sache willen abgeschlossen. Sollte sich je noch einmal etwas in diese Richtung ergeben, auch wenn sie mit jedem Tag weniger daran glaubte, dann nur wenn sie die Person auch wirklich mochte, Gefühle im Spiel waren. Diese Sichtweise der Dinge hatte sie Lina auch schon vor einiger Zeit an einem Abend, als sie beide schon ein paar Cocktails intus gehabt hatten, versucht zu erklären, doch Lina war felsenfest davon überzeugt, dass das alles nur Verdrängungsmechanismen waren.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt