„Hast du eigentlich noch Kontakt zu Lisa?", fragte sie ihn deshalb. Lisa hatte er im vergangenen Januar auf einem Astronomie-Camp kennengelernt. Und ja, der Junge verbrachte seine Freizeit echt auf Wissenschaftscamps und schaffte es dennoch in der Schule als cool zu gelten und mit den angesagten Kids zumindest oberflächlich befreundet zu sein. Das sagte doch schon alles. „Ja, heute Morgen haben wir noch geschrieben." Nat warf ihr einen irritierten Blick zu. „Wieso fragst du?" Zora tat betont unschuldig. „Ach nur so. Ihr schreibt also regelmäßig?", „Naja heute hat sie mich nur wegen einer Physik-Aufgabe für die Schule angeschrieben." Zora zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „ Du hast das Mädchen auf nem Astronomiecamp kennengelernt. Ich bin mir relativ sicher, dass jemand der solche Camps besucht mit dem Schulstoff in der Regel sehr gut alleine fertig wird.", „Worauf willst du hinaus?" das war mal wieder typisch. Der Junge war ein mathematisches Genie und ein wandelndes Lexikon, in zwischenmenschlichen Dingen jedoch manchmal wirklich schwer von Begriff. Und Zora war ja selbst nicht gerade die Empathie und Sozialkompetenz in Person. Oder war das einfach ein Männerding? „Naja, vielleicht sieht sie in dir ein bisschen mehr als nur einen Laborpartner." Zora knuffte ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. Doch Nat winkte nur ab. „Da interpretierst du zu viel rein." Zora ließ aber nicht locker: „ Wer schreibt denn wen an? Hat sie nicht sogar neulich ein Treffen vorgeschlagen?!" Nat sah sich in die Ecke gedrängt. „Jah...Sie ist halt ein offener Mensch, muss ja nicht jeder so ein Eigenbrödler sein wie du." Zora sah ihn mit gespieltem Entsetzen an. „Hey, nichts gegen mein Eigenbrödlerdasein. Und dann habe ich vielleicht doch nicht so Unrecht?! Das Mädchen steht auf dich!" Sie neigte triumphierend mit einer 'wusste- ich's-doch'-Geste den Kopf. Nat zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Mag sein. Aber die ist nichts für mich." Zora verzog verstimmt das Gesicht. „Wieso denn nicht? Die ist doch echt süß. Ihr habt gemeinsame Interessen, versteht euch gut, schreibt viel. Ihr könntet zusammen in die Sterne schauen, ihr wird kalt, du gibst ihr deine Jacke. Sie kuschelt sich im Mondschein an dich..." Zora wog sich theatralisch hin und her. Darauf hin brach Nat in schallendes Gelächter aus. „Nichts für ungut, aber glaubst du wirklich, dass du qualifiziert bist mit Beziehungstipps zu geben? Und nur zu deiner Info. Wir haben schon mehrfach zusammen in die Sterne geschaut und da gab es auch kein Kuscheln im Mondlicht." Zora resignierte. „Okay, okay. Ich höre schon auf. Glashaus und so. Sonst auch niemand, von dem ich wissen sollte?", „Wir können nicht alle sein wie Liv und immer zig Optionen offen haben." Zora verdrehte die Augen. „Jetzt übertreibst du. Außerdem hatte sie seit wir sie kennen noch keinen einzigen offiziellen Freund.", „Du willst mir weis machen, dass es keine aktuelle Bekanntschaft gibt, die sie umwirbt?",
„Doch schon." Nats Gesicht schien sich für einen Moment zu verfinstern. „Aber du kennst doch Liv. Die trifft sich zweimal mit ihm, hat irgendetwas an ihm auszusetzten, vermutlich einfach, dass er der typische 0-8-15 Bodybuilder-Macho ist, wie die zehn Kerle davor und lässt ihn fallen.", versuchte sie das Ganze zu entschärfen. Doch Nat war damit beschäftigt seine Brotdose betont ordentlich wegzupacken, stand auf und widmete sich wieder seinem Teleskop. Verwundert sah Zora zu ihm auf und kraulte Luna gedankenverloren hinter den Ohren. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte gesagt Nat wäre eifersüchtig. Stand er etwa auf Liv? Sicherlich hatte er eine deutlich höhere Meinung von ihr als die restlichen Jungs aus der Stufe. Zum einen schlichtweg, weil sie eine Freundin von Zora war und er Zora in soweit vertraute, als dass ihr Freundin mehr als nur eine oberflächliche Modetussi war. Zum anderen wusste er als einer der Wenigen, dass sie ihre Zukunft schon relativ durchgeplant hatte und bekam über Zora natürlich zwangsweise mit, dass sie nicht nur ihre Haare und Schminke im Kopf hatte. Bisher hatte Zora allerdings angenommen, dass er sie lediglich als Zoras Freundin tolerierte, mit ihr ab und an Smalltalk hielt und sich sonst nicht weiter für sie interessierte.
Wenn Zora das gerade richtig eingeschätzt hatte war das gar nicht gut, denn egal was für ein guter Fang Nat auch sein mochte, so war er doch Lichtjahre entfernt von Livs bevorzugtem Männertyp. Denn auch wenn Liv alles andere als die dumme Blondine war, so entsprach ihr Männergeschmack doch dem, was der erste Eindruck vermuten ließ: durchtrainierte Macho-Arschlöcher mit der perfekten Gelfrisur, 300,- Sneakers und ohne allzu viel Hirn.
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fragile (GirlxGirl)
RomanceIhr erstes Aufeinandertreffen ist denkbar belanglos und doch hinterlässt die Abiturientin Zora einen bleibenden Eindruck bei der angesehenen Architektin Jane, der diese bald zwingt ihre fundamentalen Grundsätze zu hinterfragen. Cover by @writersfate