Neunundsiebzig

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Zora nahm nach dem dritten Klingeln ab. „Hallo? Jane?" Sie klang verständlicher Weise überrascht. „Hey.", erwiderte Jane.

„Was ist?" Ja, was war. Eine sehr gute Frage. Jane war versucht mit „Ich wollte deine Stimmer hören." zu antworten. Es wäre die ehrlichste Antwort. Dafür hatte sie aber noch lange nicht genug Alkohol intus. Ihre Antwort kam dann ein verräterisches Bisschen zu verzögert; außerdem war sie inhaltlich auch alles andere, als eine Glanzleistung: „Ich wollte hören, wie es jetzt mit dem Praktikum aussieht. Besteht immer noch Interesse, oder habe ich dich an die Statik verloren?" Das war ja schön und gut, aber um halb elf abends wenig glaubhaft. Zora räusperte sich. „Ich fürchte schon. Das liegt mir glaube ich mehr.", erwiderte sie kurz angebunden. „Dann ziehst du ein Praktikum bei Herrn Niggenbölling in Betracht?", hakte Jane nach. „Er hat mir seine Kontaktdaten gegeben.", antwortete Zora fast schon bissig. „Dann viel Erfolg dabei. Du kannst ja mal von dir hören lassen, wenn das klappt.", gratulierte Jane ihr. „Danke.", kam es zurück und dann folgte ein unangenehmes Schweigen.

„Wie war das Abendessen mit Rupert?", fragte Zora schließlich und klang dabei definitiv bissig. „Nett.", erwiderte Jane. „Nett. Sehr schön, freut mich für dich. Gute Nacht.", kommentierte Zora. „Gute Nacht.", echote Jane und dann war die Leitung auch schon tot.

Großartig gemacht. Echt großartig. Damit würde sie in die Geschichte der sinnvollsten Telefonate eingehen. Was hatte sie sich davon bitteschön erhofft?


Zora starrte das vor ihr liegende Handy verwirrt an. Was war das gewesen? Es war fast elf! Um diese Uhrzeit wollte Jane geschäftliches mit ihr besprechen?! Erst jetzt wurde Zora klar, dass sie soeben ein Praktikum beim Neuhäuser Architekturbüro abgelehnt hatte. Sie hatte gar nicht richtig darüber nachgedacht und war ziemlich pampig gewesen. Aber jetzt gab es kein zurück mehr.

Oder war das Janes Versuch einer Annäherung gewesen? Die Uhrzeit sprach dafür und immerhin war sie anscheinend nicht mit Rupert im Bett gelandet, was Zora ziemlich zufrieden stellte. Nur wenn das Janes Intention gewesen sein sollte, wäre sie ja wohl persönlicher gewesen und hätte nicht das Praktikum vorgeschoben. Zora musste aufhören, sich Janes Verhalten so zurecht zu drehen, wie sie es gerne hätte, das brachte absolut gar nichts. Somit pfefferte sie das Handy mit etwas zu viel Schwung auf ihren Nachttisch und wandte sich wieder dem Buch zu, das sie gerade las. Sie brauchte jedoch eine Weile, bis sie sich wieder konzentrieren konnte.

Am Dienstagnachmittag hatte Zora sich mit Liv verabredet. Was sie genau vorhatten war noch nicht ganz klar, sie trafen sich aber erst einmal bei Liv zu Hause. Dort wurde Zora regelrecht von Liv überfallen und ins Kreuzverhör genommen. „Uuund? Was hat das am Sonntag noch gegeben?", „Naja, er hat mich nach Hause gefahren.", antwortete Zora wahrheitsgemäß. „Uund?", hakte Liv feixend weiter nach. Zora zuckte mir den Achseln. „Nichts und." Liv zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. „Du willst mir erzählen, dass da absolut nix lief, nachdem ihr da den ganzen Abend so aufeinander gehangen habt?" Zora neigte zustimmend den Kopf. Liv schüttelte ihren. „Dich soll einer verstehen." Sie ließ dann aber von dem Thema ab, vermutlich war es offensichtlich, dass Zora dabei unwohl war.

Sie entschieden sich dagegen irgendetwas auch nur halbwegs Produktives zu tun, sondern stattdessen zu faulenzen und einen Film zu schauen. Wie es der Zufall so wollte, befand Liv, dass es mal wieder Zeit wurde Twilight zu schauen. Aber so war sie eben, einerseits intelligent und reif, hatte ihr Leben stets im Griff, andererseits war da diese One Direction Obsession und ihr stellenweise fragwürdiger Filmgeschmack.

Zora ließ sie gewähren.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt