Fünf

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„Ich nehme einen Kaffee.", kam es direkt bestimmt von der Tochter. „Kännchen oder Tasse?", „Ruhig ein Kanne. ... Mama?" Die Dame wirkte wie weggetreten. „Was darf ich ihnen denn zu trinken bringen?", setzte Zora nach einem kurzen Schweigen an. „Vielleicht eine Tasse Tee?" Wieder nichts. Betont freundlich wandte sie sich nun erneut an die Tochter. „Was trinkt ihre Mutter denn sonst?"

Zora hatte Mitleid mit den Beiden. Es war offensichtlich, dass die ältere Dame an Demenz litt – ein denkbar schweres Los. „Ehh..." Die Tochter wirkte nun restlos überfordert. Wäre das Ganze nicht so verdammt traurig gewesen, Zora hätte laut losgelacht. Die Frau sah aus, wie einem Hollywood Film über die Wallstreet entrissen und war nun vollkommen ratlos, angesichts dieser simplen Frage. „Ich weis nicht... Vielleicht...?", „Wie wäre es, wenn ich ihnen erst einmal zwei Tassen zu der Kanne Kaffee bringe?", kam Zora ihr zur Hilfe und erntete dafür einen dankbaren Blick. „Das klingt gut.", „Dann nur eine Kanne Kaffee.", damit begab Zora sich wieder in Richtung Küche und stellte das kleine Tablett fertig. Die ältere Dame schien unterdessen aus ihrer Trance wieder aufgewacht zu sein und ihr Blick wanderte mehrfach durch die Alte Mühle, fast so als schien sie die Räumlichkeiten wieder zu erkennen. Als Zora mit dem Kaffee an den Tisch zurückkehrte und die Tasse der Dame auffüllte, schaute diese erst Zora und dann ihr Tochter irritiert an. „Jane, ich trinke doch schon seit Jahren keinen Kaffee mehr. Junges Fräulein, würden sie mir bitte einen Kräutertee bringen?", damit schob sie die halb volle Tasse bestimmt von sich weg. Ihre Tochter Jane schaute verlegen zu Zora. „Entschuldigen sie, wir wollten wirklich keine so großen Umstände machen." Doch Zora blieb vollkommen gelassen, es war ja nicht so, dass sie heute unter Zeitdruck stand. Außerdem war Freundlichkeit das oberste Gebot, das hatte Tante Karen ihr von ihrer ersten Schicht an eingeschärft, und in diesem Fall war es sowieso selbstverständlich. „Ach, sie machen doch keine Umstände, der Tee kommt sofort."

Als Zora kurz darauf den Tee an den Tisch brachte griff die alte Dame vollkommen unerwartet nach ihrem Unterarm und zog sie zu sich heran. „Ist Frau Söhnchen hier?" Ihr Blick schien Zora zu durchbohren, ihre Stimme war erstaunlich fest. „Dann müssen Gustav und ich wieder gehen, die macht nur Ärger." Zora nahm aus dem Augenwinkel war, dass Jane, gleichzeitig entsetzt und peinlich berührt war. Ihre Kaffeetasse war auf halbem Weg zum Mund stehen geblieben. Zora stellte ihr leeres Tablett vorsichtig auf den Tisch und legte die nun freie Hand sanft auf die Schulter der Dame. „Frau Söhnchen ist nicht hier, aber ich versichere ihnen, dass die sowieso keinen Ärger macht." Die ältere Dame atmete augenblicklich auf und entspannte sich. „Nicht hier. Sie ist nicht hier. Das ist gut." Ihr Griff lockerte sich erst, dann ließ sie Zora ganz los und wandte sich wieder an ihre Tochter. „Die Frau Söhnchen ist eine ganz unschickliche Frau, hat meinem Gustav immer schon nachgestellt. In letzter Zeit ist es immer schlimmer geworden." Zoras Anwesenheit schien sie gänzlich vergessen zu haben. „So eine unschickliche Frau. - Oh schau mal Kind, was für schöne Deckchen das sind.", damit fing sie an mit der Hand über die gehäkelte Tischdecke zu fahren. Das Thema Frau Söhnchen schien abgeschlossen. „Es tut mir so leid...", entschuldigte sich Jane sofort. Zora nickte nur mitfühlend und ging zu ihrem Stammgast, der heute die Süddeutsche las und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei. Doch in Gedanken war sie noch bei der älteren Dame. Mit Frau Söhnchen konnte nur Tante Karen gemeint sein, so einen Zufall gab es nicht. Die Beiden mussten sich demnach kennen und Gustav war vermutlich der Ehemann der Dame. Vielleicht war er längst tot? Zora schüttelte bestimmt den Kopf, diese Gedanken waren müßig. Zum einen da die Dame offensichtlich nicht mehr ganz richtig im Kopf war, zum anderen da es sie auch gar nichts anging.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt