Einhundertdreiundzwanzig

3.5K 190 11
                                    


Nachdem ihre Mutter geendet hatte sah sie Zora unsicher an. Diese trank erst einmal einen großen Schluck. Teils um etwas zu tun zu haben und die Stille zu überbrücken, teils um ihre Nerven zu beruhigen. „Ich...", setzte ihre Mutter nochmal an und räusperte sich dann. „Es ist deine Sache, ob du das Geld annimmst. Und es ist auch deine Sache, ob du dich mit ihm triffst. Du bist erwachsen. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich dabei unterstütze, egal was du machst. Wir schaffen das. Mit oder ohne ihn, haben wir immer schon." Dann zog sie Zora in eine feste Umarmung. „Ich liebe dich über alles mein Schatz.", flüsterte sie Zora ins Ohr. Zora erwiderte die Umarmung. „Ich dich auch."

Im weiteren Verlauf des Abends, während die Reden so an ihr vorbei plätscherten, kam Zora zu dem Schluss, dass ihr Mutter soweit sie da bisher beurteilen konnte alles richtig gemacht hatte. Ob ihr Vater, seine Werte und seine Familie wirklich so schlimm waren, wie ihre Mutter es darstellte, konnte sie nur mit Sicherheit sagen, wenn sie diesen Mann kennenlernte. Aber jemand, der sich einfach von seinen Vaterpflichten freikaufte schien kein so erstrebenswertes Elternteil zu sein. Außerdem hatte Zora nie wirklich etwas vermisst, war immer glücklich gewesen, mit ihrer kleinen Minifamilie. Um dem Ausdruck zu verleihen nahm sie ihre Mutter nochmal herzlich in den Arm, als diese zusammen mit den anderen Eltern nach dem Abschluss des offiziellen Teil den Ball verließ.

Nachdem sie nun diese weiteren Details kannte blieb natürlich die große Frage, ob sie diesen Mann kennenlernen wollte, diesen Theo. Im ersten Instinkt schrie natürlich alles in ihr voller Neugier ja, aber wollte sie das wirklich? Oder würde sie am Ende nur verletzt werden und unnötige Wunden aufreißen, die vollkommen vermeidbar wären. In Anbetracht der Tatsache, dass sie den gesamten Tag nichts gegessen hatte und ihr zweites Glas Wein in der Hand hielt, ermahnte Zora sich diese Frage auf die nächsten Tage zu verschieben. Heute würde sie garantiert zu keiner vernünftigen Entscheidung mehr kommen, falls es so etwas in diesem Szenario überhaupt gab.

Als hätte sie es geplant kam in genau diesem Moment, als Zora sich jeden weiteren Gedanken an ihren Vater für diesen Abend verboten hatte, Liv zu ihr. „So meine Liebe, jetzt sag mal an, was mit dir los ist." Ja, Liv war definitiv schon angetrunkener als Zora. „Das ist unser Abiball! Wir sollten Spaß haben und du siehst au, als wären wir auf einer Beerdigung. Ist was mit Jane? Muss ich der eine Ansage machen? Oder warum bist du so traurig?" Ah... Und schon schien die Thematik ihres auf einmal existenten Vaters wieder relativ vielversprechend. Da lag zumindest noch ein Diskurs, ein Dialog in der Zukunft. Das Ganze war nicht in Stein gemeißelt. Wohingegen die Sache mit Jane entschieden schien.

'Alea iacta est', wie es so schön hieß. Da war bereits alles den Bach runter gegangen. Trotzdem tat es weh, als Liv die Wunde unwissentlich wieder aufriss, wo Zora es gerade geschafft hatte einmal an etwas anderes zu denken. Selbst wenn Jane natürlich ununterbrochen zumindest unterschwellig in ihren Gedanken präsent war. Wie um dem ganzen die Krone aufzusetzen, kam dann Andy, um sich zu ihnen zu gesellen, und Zora ziemlich sicher zu dem vereinbarten Tanz aufzufordern. Glücklicherweise verscheuchte die deutlich beschwipste Liv ihn, wenn auch etwas schroff. „Also?", wandte sie sich dann wieder an Zora.

Kurz schilderte diese den Verlauf der Ereignisse. Als Liv ganz offenbar im Begriff war sich für ihre Rolle bei all dem zu entschuldigen, kam Zora ihr zuvor. „Und dich trifft ehrlich keine Schuld. Wenn überhaupt sollte ich dir dankbar sein, dass wir es deinetwegen so zeitnah beendet haben. Wenn das unser Krisenmanagement ist hätte es doch sowieso nicht lange gehalten.", fasste sie abschließend zynisch zusammen.

„Tut mir trotzdem leid.", schob Liv natürlich dennoch hinterher. „Und es ist echt aus – aus? Ich meine Schlüssel?! Wenn sie dir schon einen Schlüssel für ihre Wohnung überlassen wollte, dann ist doch nicht von einem Moment zum anderen einfach alles aus." Zora schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das noch irgendeinen Sinn hat.", „Ach das tut mir leid Maus." Liv schlang Zora einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Da draußen warten noch ganz viele Frauen auf dich!"

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt