fragile (GirlxGirl)

Vierzig

Zora musste am Freitagabend arbeiten und verpasste somit den Beginn der großen Stufenparty bei Peter. Außerdem hatte sie deshalb ihre Mails den späten Nachmittag und Abend nicht mehr gecheckt, sodass sie erst jetzt die Terminbestätigung der Studienberatung der Fachschaft von der Uni las. Nachdem sie das umgehend an Jane weiter geleitet hatte, machte sie sich auf den Weg zu dem Hof von Peters Familie. Die Musik war schon von Weitem zu hören. Sobald sie auch nur in Sichtweite der fernen Menge war kamen Steven und Peter auf sie zu. „Wusstest du das von Liv und Nat?", begrüßte sie der deutlich angetrunkene Steven und drückte ihr einen Plastikbecher in die Hand. „Hier, du musst aufholen." Zora hob den Becher prüfend an ihre Nase. Wodka. Der Farbe nach zu urteilen Wodka-O. Sie trank einen Schluck. Das war doch sogar noch eine trinkbare Mische.

„Wusste ich was?", tat sie ganz unschuldig. Aber Stevens Aufmerksamkeitsspanne war anscheinend bereits aufgebraucht, denn er griff sie am Ellenbogen, um sie zu den anderen zu ziehen. „Komm, wir spielen Wahrheit oder Pflicht." Zora entwand sich seinem Griff. „Danke, vielleicht später. Ich wollte erstmal noch Leuten hallo sagen.", schob sie als Ausrede vor. Sie würde den Abend garantiert nicht schon mit so einem Nonsens anfangen. Da brauchte sie erst noch ein paar Drinks. Wo war Liv denn überhaupt? Vermutlich bei Nat laut dem was Steven gerade gesagt hatte. Zora machte sich auf den Weg in die Scheune. Doch sie hielt kurz inne. Das waren doch...

Ja, das waren Liv und Nat. Sie saßen etwas abseits vom Scheuneneingang auf einem Strohballen. Eng umschlungen. Sehr eng umschlungen. Wirklich sehr eng. Okay, da musste Zora vielleicht nicht unbedingt hallo sagen. Sie eilte weiter in die Scheune. Na da hatten die Beiden doch einen Sprung nach vorne gewagt. Wer hätte das kommen sehen. Sie grinste in sich hinein. Sie freute sich für die Zwei, sie hatten einander verdient. Auch wenn das Ganze, wenn es denn eine langfristige Beziehung werden sollte vermutlich kompliziert werden würde, schließlich wollten Beide wegziehen. Aber für heute war das wohl irrelevant, heute hatten sie einfach nur einen magischen Abend. Allein für die ganzen völlig verdatterten Mitschüler, die die Welt angesichts der Tatsache, dass der Nerd des Jahrgangs sich die heiße Blondine geschnappt hatte, nicht mehr verstanden, war die Situation unbezahlbar.

In der Scheune hatten sich mehrere Grüppchen gebildet. Zora steuert auf die Größte zu. Dort saßen ein paar Mädels aus ihrem Mathe-LK, mit denen sie oberflächlich befreundet war und Kristina, außerdem ein paar Leute aus den letzten Abschlussjahrgängen, die Zora allerdings nur vom Sehen her kannte. „Hey. Ihr könnt noch Gesellschaft gebrauchen?", machte sie auf sich aufmerksam. „Na klar, so attraktive Gesellschaft können wir doch immer gebrauchen.", antwortete ihr einer der älteren Kerle – ziemlich offensichtlich angetrunken – sofort. „Hey Zora. Klar, setz dich.", begrüßte Kristina sie. Nachdem Zora sich zwischen Kristina und Andy, Peters älteren Bruder gesetzt hatte, meldete sich Susanne zu Wort: „Geht das schon länger mit Liv und Nat?", „Woher soll ich das wissen?", erwiderte Zora, wobei Susanne natürlich nicht locker ließ. So war das eben. Der Nerd und die Blondine, das gefundene Fressen, um sich die Mäuler zu zerreißen. Nicht, dass sich in dieser Stufe über irgendein Pärchen nicht die Mäuler zerrissen wurden. Trotzdem war diese Kombi wohl irgendwie nochmal extra spannend. „Ach tu doch nicht so. Du bist doch mit Beiden befreundet. Ich dachte Liv hätte einen Freund? War da nicht irgendein Älterer?" Schade, dass Susanne noch nicht betrunken genug war, um den Faden zu verlieren, dachte Zora sich, während sie mit Bedacht eine unverfängliche Antwort formulierte: „Meines Wissens nach sind Beide Single und sonst weiß ich auch nicht mehr als du." Susanne setzte erneut an, vermutlich um weiter nachzuhaken, doch glücklicherweise kam ihr der betrunkene Kerl, der Zora als erster begrüßt hatte zuvor: „Also ich bin übrigens Timo und ich finde ihr seit alle noch viel zu nüchtern.", damit präsentierte er eine Captain-Morgan Flasche. Zora trank ihren Becher leer und ließ sich eine Captain-Cola Mische nachfüllen.