Der restliche Abend verlief perfekt. In der exklusiven Bar wurde zunächst noch einmal mit Champagner auf den erfolgreichen Abend angestoßen. Anschließend unterhielt Jane sich noch mit Herrn Ribèry, dem Fotografen über dessen Inspiration für das Projekt. Seine Schwester war mit 13 an Leukämie gestorben. Er war damals 15. Sein erster Gedanke sei gewesen Medizin zu studieren, um dann die Krankheit zu heilen. Er hatte jedoch schnell eingesehen, dass das zum einen leicht überambitioniert war, und er zum anderen auch kein geborener Mediziner war. So wollte er nun mit seinen Fotografien zum Nachdenken anregen und zur Materie beitragen.
Rupert wich den ganzen Abend nicht von Janes Seite, war zuvorkommen und witzig. Wenig später saßen sie Beide alleine an einem Tisch. Jane hielt ein Glas völlig überteuerten Rotwein in der Hand, während Rupert ihr von seiner Familie erzählte. „Mein Vater ist Brite, meine Mutter deutsch. Ich habe meine Kindheit hier verbracht, bevor ich dann nach Schottland aufs Internat bin. Deshalb auch der britische Vorname. Mein Vater bestand darauf, damit ich meine Wurzeln nie vergessen würde. Wer ist es bei ihnen? Oder sind sie gemeinsam her gekommen?" Das er tatsächlich halb britisch war schien Sinn zu ergeben, bei seinem Kleidungsstil, seinen Manieren und seinem scheinbar gottgegebenen Charme. Jane hatte über den Vornamen zuvor nie weiter nachgedacht, schließlich wurde bei ihr auch immer irrtümlich angenommen, dass sie britische Wurzeln hatte. „Keiner. Meine Mutter ist einfach nur eine riesiger Jane Austin Fan." Rupert lachte auf. „Tatsächlich? Teilen sie diese Leidenschaft?" Jane schmunzelte. „Nicht in in dem selben Ausmaß wie sie. Meine Mutter würde Stolz und Vorurteil noch heute zur neuen Bibel erklären wenn sie könnte." Sie blickte kurz auf zu Rupert. Dieser hing förmlich an ihren Lippen, schien wie gebannt und lachte lautlos. „Ich kann meine Mutter aber schon verstehen. Die Bücher sind wirklich toll. Nur sind Liebesromane generell nicht so ganz mein Ding.", fuhr Jane fort. „Was lesen sie denn gerne?", hakte Rupert sofort nach. „zu wenig.", erwiderte sie lachend. „ Wenn es um Klassiker geht bin ich ein großer Kafka Fan. Und sonst... Schwedische Thriller, wie sie heutzutage jeder liest.", „So düstere Literatur? Lesen sie denn gar nichts fröhliches?", „Naja, Kafka ist doch nicht düster.", erwiderte sie, woraufhin Rupert sie mit Skepsis ansah. „Dann ist Kafka also fröhliche Literatur?" Jane schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. „Nein, Kafka ist sicherlich nicht fröhlich, aber auch nicht düster. Eher realistisch." Rupert schien nur noch skeptischer. „Der Mann war psychisch krank." Jetzt grinste Jane richtig. „Dann sind Liebesromane also realistisch und beinhalten die absolute Wahrheit. Lass mich raten, du hast zuletzt Romeo und Julia gelesen?" Rupert lachte herzhaft auf, bevor er, ganz Brite, begann Shakespeare zu verteidigen. Und so ging es den ganzen Abend weiter. Rupert war aufmerksam und klug. Sie unterhielten sich dabei nicht nur über Kunst und Literatur, sondern schnitten auch politische Themen an. Sprachen über die Flüchtlingskrise, den Brexit und die anstehenden US-Wahlen.
Auf dem Papier ein Abend ganz nach Janes Geschmack und Rupert war wirklich toll. Genauer gesagt der absolute Jackpot: intelligent, erfolgreich und millionenschwer, dabei aber in einem gewissen Rahmen bodenständig, außerdem lagen ihm soziale Projekte sehr am Herzen. Er hatte Millionen in humanitäre Projekte in Afrika fließen lassen. Dennoch blieb Jane zurückhaltend. Sie würde nichts überstürzen. Somit verließ sie um kurz vor zwölf die Bar. Rupert geleitete sie noch zu ihrem Taxi. „Es hat mich wirklich sehr gefreut, dass du gekommen bist. Ich hatte einen wundervollen Abend." Galant hielt er ihr die Hintertür des Taxis auf. „Ich fand den Abend auch toll. Danke noch einmal für die Einladung.", damit stieg Jane in das Taxi. Rupert beugte sich ein wenig zu ihr hinunter. „Besteht denn Hoffnung, dass ich dich bald wieder sehe?" Jane schmunzelte. „In welchem Rahmen denn?", „Naja, ich bin diese ganze Woche leider geschäftliche verhindert, aber nächste Woche Freitag veranstalte ich eine kleine Party bei mir zu Hause. Ich würde mich sehr über deine Anwesenheit freuen. Ich werde dir eine Einladung zukommen lassen." Er hob die Hand zum Gruß und schloss die Tür. Jane konnte gerade noch zurück winken, da fuhr ihr Taxi schon um die nächste Straßenecke und Rupert war aus ihrem Blickfeld verschwunden. Er war wirklich toll, ein wahrer Gentleman von der alten Schule, dabei jedoch nicht zu aufdringlich.
Während das Taxi durch die nur schwach beleuchteten Straßen Düsseldorfs fuhr nahm Jane ihr Handy aus ihrem Handy. Scheinbar von allein wählten sich ihre Finger zu Zoras Mail durch. Sie las sie erneut und tippte nach kurzem Zögern auf Antworten.
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fragile (GirlxGirl)
RomanceIhr erstes Aufeinandertreffen ist denkbar belanglos und doch hinterlässt die Abiturientin Zora einen bleibenden Eindruck bei der angesehenen Architektin Jane, der diese bald zwingt ihre fundamentalen Grundsätze zu hinterfragen. Cover by @writersfate