Siebenundzwanzig

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Jane gab sich einen Ruck. „Gerne.", „Perfekt, ich muss dich aber leider noch einmal kurz allein lassen. Wir treffen uns unten an der Garderobe?" Jane nickte. „Okay." Rupert ging in Richtung eines älteren Herrn im Anzug, während Jane sich in Richtung Treppe begab. Neben der Garderobe standen einige Sofas und Jane, der ihre Schuhe jetzt schon zu schaffen machten, setzte sich umgehend hin. Aus purem Mangel an Alternativen nahm sie ihr Handy aus ihrer Handtasche, obwohl sie unterbewusst vielleicht immer noch auf eine Nachricht von Zora wartete. Sie hatte einen verpassten Anruf von ihrem Vater und eine kurz darauf eingegangene SMS, dass es ihm gut ging und er sich nur mal hatte melden wollen. Sie schrieb mit dem Versprechen ihn Morgen in ihrer Mittagspause anzurufen zurück. Danach checkte sie ihre Mails. Eine kam von ihrer Assistentin, zwei von Kunden und die vierte war erst vor wenigen Minuten eingegangen. Sie war von Zora:

Sehr geehrte Jane Neuhäuser,

zuerst einmal vielen Dank, dass sie mir ihre Kontaktdaten gegeben haben. Nun möchte ich hiermit auch tatsächlich auf ihr Angebot zurück kommen und sie fragen, ob es möglich wäre einen Praktikumsplatz bei ihnen im Unternehmen zu erhalten. Auch wenn ich natürlich noch über keinerlei Vorerfahrung verfüge, so bin ich doch begeistert für die Architektur und wäre sicherlich eine motivierte Bereicherung für ihr Unternehmen. Beginnen könnte ich ab dem 20. Juni.

Im Anhang finden sie mein letztes Zwischenzeugnis, sowie meinen Lebenslauf.

Auf Wunsch schicke ich ihnen selbstverständlich gerne eine vollständige, formelle Bewerbung zu.

Ich hoffe ihr Vater befindet sich auf dem Weg der Besserung.

Mit freundlichen Grüßen Zora Krämer

Danach öffnete Jane die Anhänge. Sie atmete erleichtert auf. Zora war keineswegs eine Problemschülerin. Deutsch und Mathe LK, ein guter Zweierschnitt und eine angemessen formulierte Mail sprachen für sich. Im Nachhinein kam Jane sich albern vor das je angezweifelt zu haben. Ihr Menschenkenntnis ließ sie selten im Stich. Aber was antwortete sie? Fast hätte sie sofort zurück geschrieben und ein Treffen am Mittwoch vorgeschlagen, schließlich besuchte sie eh ihre Eltern. Das war dann aber fast schon zu aufdringlich. Und mit welcher legitimen Begründung? Und wozu? Das musste der Alkohol sein. Doch da wurde sie unterbrochen. „So, entschuldige, dass das so lange gedauert hatte. Aber das war ein Geschäftspartner von mir, den ich seit über einem Monat nicht gesehen hatte und da mussten einige Dinge besprochen werden." Rupert hielt ihren Mantel in der Hand.

„Ach ist doch kein Problem." Jane warf einen letzten Blick auf ihr Handy und ließ sich von ihm in den Mantel helfen. Zora würde sie wohl erst morgen zurück schreiben. Vermutlich sollte sie im angetrunkenen Zustand eh keine dienstlichen Mails mehr verschicken. „Danke.", wandte sie sich erneut an Rupert, während sie ihren Mantel zuknöpfte. „Na, wer schreibt denn da noch so spät?", fragte er beiläufig, wobei es jedem klar denkenden Mensch offensichtlich war, dass er nach möglicher Konkurrenz Ausschau hielt. Jane lächelte. Es war ein gutes Gefühl derart begehrt zu werden. Vor allem von einem solchen Mann. „Niemand von Bedeutung. Nur Arbeitsmails, das kann alles bis Morgen warten." Irgendwo in ihrem Inneren hatte sie das Gefühl Zora Unrecht zu tun, sie als niemand zu bezeichnen. Jane wischte den Gedanken bei Seite.

„Und dennoch checkst du die Mail sofort, selbst in deiner Freizeit. Ein Workerholic, sehr sympathisch." Jane riss mit gespieltem Entsetzen die Augen auf. „Sympathisch? Die meisten Menschen verachten mich dafür." Doch Rupert blieb relativ ernst. „Ich treffe nur selten Gleichgesinnte. Und noch seltener so attraktive Gleichgesinnte.", damit bot er ihr seinen Arm an und sie hakte sich bei ihm unter. Gemeinsam verließen sie die Galerie und liefen in die schwarze Nacht.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt