Einhundertsiebzehn

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Diesen Rat nahm Jane ich zu Herzen, denn Lina hatte schließlich voll und ganz recht. Sie hatte sich mit Zora bei Starbucks verabredet. Das war neutraler Boden. Vor wenigen Stunden erst war sie am Düsseldorfer Flughafen gelandet; mittlerweile war es kurz nach fünf. Sie bemerkte Zora sofort als sie in Sichtweite kam. Zu ihrer Genugtuung, sah diese ähnlich aus, wie sie sich fühlte. Ein Teil von ihr verurteilte sich selbst dafür und hasste es Zora derart am Boden zu sehen. Andererseits schien es nur richtig, dass es ihnen beiden schlecht ging. Außerdem bewies es, dass Zora das Ganze auch irgendwie nah ging.

Sie begrüßten sich mit einer steifen Umarmung und ließen sich wenig später in einer ruhigen Ecke nieder, wo sie halbwegs ungestört waren. „Dann war München also ein voller Erfolg?", begann Zora das Gespräch. Jane nickte. Ihr stand es so gar nicht nach Smalltalk, gleichzeitig wusste sie selbst nicht, wo sie anfangen sollte. Das übernahm Zora dann auch. „Hör zu, wegen Sonntag... Du hast das glaube ich in den falschen Hals bekommen. Also mit Andy..." Janes Blick, der noch zuvor nervös durch den Raum gewandert war fand Zora binnen Millisekunden und fixierte sie.

„Dann sieht der dich also nur als platonische Freundin und macht sich keinerlei Hoffnungen?", hakte Jane mit eisernem Ton nach. Sie wollte eigentlich nicht so angriffslustig sein, aber sie konnte einfach nicht aus ihrer Haut raus. Sie war verletzt und wütend. Zora sah betreten zu Boden und begann an ihrer Unterlippe zu nagen. „Ich weiß es nicht. Aber von meiner Seite aus ist da wirklich nichts. Ich schwöre es!" Ihre Augen fanden zaghaft die von Jane. „Du weißt es nicht, oder du willst mich schonen? Ich meine er ist doch in dem Glauben, dass du zu haben bist.", bohrte diese weiter. Zora zuckte zusammen. „Da war nie irgendetwas. Und was soll ich ihm denn sagen? Es ist ja nicht gerade so, als ob wir in die Öffentlichkeit streben."

Kein 'jetzt' in die Öffentlichkeit streben, kein 'sofort' in die Öffentlichkeit streben, kein 'zeitnah' in die Öffentlichkeit streben, sondern ein generelles 'wir streben nicht in die Öffentlichkeit'. Da hatte Jane ihre Klarheit. Sie wollten verschiedene Dinge.

Zora sah sie verunsichert an. „Dann nehme ich mal an, dass du geplant hast deine Mutter in dem Glauben zu lassen, dass sich da etwas mit Andy anbahnt? Ganz unabhängig davon ob das jetzt passiert oder nicht?", setzte Jane nach.


Zora zuckte erneut zusammen. Jetzt tat Jane ihr Unrecht. Die ganze Situation war sicherlich ein wenig unglücklich und sie fühlte sich grausam. Sie hatte die letzten Nächte kein Auge zugetan und war die Gegebenheiten wieder und wieder durchgegangen. Aber sie wusste beim besten Willen nicht, was sie hätte anders machen sollen. Sicherlich, ihre Halbwahrheiten, die sie Jane während der Mittagspause im Park aufgetischt hatte, waren nicht ganz korrekt gewesen, aber sie hatte auch nicht gelogen. Es war schlicht und ergreifend ein doofes Missverständnis. Am Sonntag hatte Liv, als gute Freundin, Zora begehrt und umworben wirken lassen wollen. Sie hatte ja noch nicht einmal etwas von dem letzten Gespräch zwischen Zora und Andy gewusst. Geschweige denn davon, das Jane Andy irgendwie zuordnen konnte.

Doch hier saß Zora nun mit Jane , die sie drei Tage lang völlig hatte in der Luft hängen lassen, um ihr nun diese Vorwürfe zu machen. Das war einfach nicht fair. Was hätte sie denn tun sollen? Aller Welt mitteilen, dass es da jemanden gab? Das würde zu weiteren Fragen führen, die Zora noch nicht beantworten wollte. Sie hatte es ja gerade mal verdaut, dass Liv und Nat im Bilde waren. Das brauchte Zeit. Außerdem war sie davon ausgegangen, dass sie so ein öffentliches Outing gemeinsam besprechen würden.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt