Einhundertsechsundzwanzig

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Nachdem sie die Tanzfläche zweimal umrundet hatte, ohne sie in der Menge auszumachen schickte sie Beiden kurzerhand eine SMS, dass sie fuhr. Ehrlich gesagt war sie sogar froh den Beiden nicht noch einmal unter die Augen treten zu müssen. Sie wollte einfach nur noch nach Hause, ohne irgendwie mit Menschen zu interagieren. Noch im Vorraum der Halle wählte Zora die Nummer des lokalen Taxiunternehmens an. Als sie die Tür passierte sank die Temperatur ab, aber es war immer noch ziemlich mild. Trotzdem machte sie sich daran in ihre Jacke zu schlüpfen. „Guten Abend. Taxi Müller. Was kann ich für sie tun?", meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ja. Guten Abend" Zora nickte dem Grüppchen von Rauchern zu und ging noch ein paar Schritte weiter, um ungestört das Telefonat führen zu können. „Zora Krämer hier. Ich hätte gerne ein Taxi zur..." Sie fror in Unglauben ein.

War das...?

War das tatsächlich Jane? Etwa 40 Meter Zora entfernt auf dem Parkplatz stand eine unschlüssig wirkende Jane, die auf ihr Handy starrte. Zora konnte sie nur in der Dunkelheit ausmachen, da die Fahrertür von Janes Auto sperrangelweit offen stand, die Innenbeleuchtung somit an war.

„Entschuldigen Sie? Hallo...? Hallo? Sind sie noch da?" Zora hatte die Dame am anderen Ende der Leitung völlig vergessen. Jane war hier. Auf ihrem Abiball. Weshalb?

Ihr Anruf. Sie war davon ausgegangen, dass der gar nicht bis zu Jane durchgegangen war. Anscheinend war er das. Oder war Jane unabhängig davon hier?

Sie hörte wie die Leitung unterbrochen wurde. Die Angestellte des Taxiunternehmens hatte offenbar aufgelegt, nachdem Zora sich nicht weiter geäußert hatte.

Jane schien unterdessen immer noch mit sich zu ringen, was sie als nächstes tun sollte, Zora hatte sie noch gar nicht bemerkt. Würde sie am Ende wieder fahren. Atemlos starrte sie zu Jane rüber, wie sie da alleine vor ihrem SUV stand. Endlich hob Janes Blick sich und sie bemerkte Zora. Sie hielten beide inne, bewegten sich keinen Millimeter. Zora ließ schließlich die Hand mit dem Handy, dass sie sich immer noch ans Ohr hielt, sinken. Der Anruf war lange beendet, aber sie bewegte sich trotzdem nicht vom Fleck. Vielleicht dauerte dieser Moment mehrere Minuten, oder wenige Sekunden, Zora hätte es nicht sagen können.

Zora sah absolut hinreißend aus, einfach umwerfend. Die Haarspitzen gelockt in einem schulterfreien, dunkelgrünen Kleid. Aus ihrem Gesicht sprach Verblüffung, sie war völlig überrumpelt, was nur logisch war. Jane hatte ihre zweite Chance vermutlich gar nicht verdient. Sie war aber auch nicht bereit aufzugeben, sondern willens so ziemlich alles zu tun, um sich zumindest zu erklären. Mehr konnte sie von Zora nicht erwarten, aber sie wollte sich zumindest noch einmal aussprechen. Hatte das eigentlich schon am Mittwoch gewollt, bevor sie dann mit ihren Emotionen durchgegangen war.

Auch wenn sie in der Sache vielleicht recht gehabt hatte, war ihr Verhalten vollkommen überzogen und einfältig gewesen. Zora hätte jedes Recht sie fortzuschicken, nachdem was sie ihr da vorgeworfen hatte. Als sie Zoras verpassten Anruf gesehen hatte, hatte sie diesen letzten Strohhalm sofort ergriffen und war umgehend zur Schützenhalle gefahren. Hier stand sie nun, hatte sich gerade die Worte zurecht gelegt, um Zora dann anzurufen. Doch eben diese stand nun bereits nur wenige Meter vor ihr.

Wie in einem kitschigen Nicholas Sparks Film lösten sie sich zeitgleich aus ihrer Starre und liefen aufeinander zu, trafen sich in der Mitte. Jane war noch unsicher gewesen, wie sie weiter reagieren sollte, aber da war Zora ihr schon unerwarteter Weise um den Hals gefallen. Jane erwiderte die Umarmung, willens Zora nie wieder loszulassen. „Es tut mir so leid.", war alles, was sie hervor brachte. Zora schüttelte den Kopf. „Mir tut es leid."

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt