Dreizehn

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Ihre Mutter würde das nicht gutheißen, ganz und gar nicht. Aber sie war auch noch nie in dieser Wohnung gewesen. Ihr Vater hatte sie zweimal besucht, er hielt sich jedoch stets bedeckt mit seiner Meinung, war durch und durch ein Gentleman. Er redete Jane nirgendwo rein und ließ ihr alle Freiräume. Diese Freiräume füllt sie, seit sie in Düsseldorf wohnte mit Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit. Ein Privatleben gab es nicht. Das Tennisspielen betrieb sie eigentlich auch nur noch, um beim Smalltalk mit Kunden ein Hobby vorweisen zu können. Jane lebte den Traum. Sie war erfolgreich, liebte ihren Beruf und war finanziell in der Lage sich jeden noch so abwegigen Wunsch zu erfüllen. Doch schon seit einiger Zeit plagten Jane Zweifel. Zweifel, die sie noch nicht einmal sich selbst gegenüber eingestehen wollte. Ihre Karriere verlief bilderbuchmäßig. Sie war auf der Höhe, ihr lag die Welt zu Füßen. Sie hatte alles, was sie sich immer erträumt hatte und war dabei leider nicht so glücklich, wie sie es geplant hatte. Dieser allgemeingültige und eigentlich inhaltslose Spruch 'Der Weg ist das Ziel' - Jane hatte ihn immer für das Motto der Verlierer gehalten. Doch sie war nun an ihrem selbstgesteckten Ziel angelangt, war schon darüber hinaus geschossen und fühlte sich alles andere als erfüllt.

Vielleicht war der Weg ja doch das Ziel, denn das eigentliche Ziel war lange nicht so rosig und perfekt, wie sie es sich immer ausgemalt hatte. Sie tat sieben Tage die Woche das, was sie liebte und hatte doch kein Leben. Manchmal beneidete sie Lina. Die Kollegin war in Janes Alter und kam einer guten Freundin, soweit man davon sprechen konnte, am ehesten nahe. Sie hatte vor einem Jahr glücklich geheiratet, besaß zwei Hunde und hatte mit ihrem Mann ein großes Haus in einem Vorort von Düsseldorf gekauft. Dabei war sie allerdings alles andere als ein Hausmütterchen. Sie war gut in ihrem Job, wirklich gut. Schließlich war es Lina gewesen, die die entscheidende Idee für den Umbau des Stadtmuseums geliefert hatte; und es war auch Lina gewesen, die am Donnerstag problemlos für das Meeting mit dem Oberbürgermeister eingesprungen war. Jane hegte keine Zweifel daran, dass die Präsentation bestmöglich verlaufen war, denn Lina war durch und durch professionell. So ungeordnet ihr Schreibtisch auch war, so chaotisch ihr Arbeitsweisen auch schienen, Kunden gegenüber war Lina die Souveränität in Person. Und bei all dem führte sie noch ein Privatleben: hatte regelmäßige romantische Abendessen mit ihrem Mann, besaß ein Pferd, machte einmal die Woche Yoga und fuhr regelmäßig in spektakuläre Urlaube, sei es Sylt, Bali oder Norwegen.

Vielleicht sollte Jane auch mehr aus ihrem Privatleben machen, aber wo sollte sie anfangen? Mehr Tennis spielen? Ihr reichte ein Trainingstermin pro Woche vollkommen. Der einzige Grund, weshalb sie gerade Tennis spielte war auch nur, dass sie es bereits mit acht Jahren angefangen hatte, weil ihr Vater Tennis spielte. Was dann? - Ein vierbeiniger Freund?! Ein Hund oder eine Katze? Vielleicht ein bisschen viel Verantwortung auf einmal, auch wenn Zoras Luna wirklich verdammt süß gewesen war.

Ihr fiel absolut gar nichts ein, was wirklich bezeichnend war. Sie würde aber auch definitiv nicht anfangen auf diese Cocktailpartys zu gehen, wo gehobene, erfolgreiche Akademikersingles Smalltalk betrieben und sich im Endeffekt aber auch nicht niveauvoller anbaggerten als Teenager. Quasi Elitepartner im Reallife. Nein danke, so verzweifelt war sie nun auch wieder nicht. Vermutlich sollte sie sich kurz- oder mittelfristig aber wirklich Gedanken um ihr Leben außerhalb des Büros machen.

fragile (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt