Nachdem ich zu Caspar ins Auto gestiegen bin und wir uns begrüßt haben, fährt er auch schon los. Wir ziehen an den Wohnhäusern vorbei, bevor wir auch schon durch das große Tor fahren und somit das Gelände des Internats verlassen. „Wohin fahren wir?", frage ich. Caspar streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Der Asiate schüttelt anschließend seinen Kopf. „Nicht allzu weit weg. Die Herrin müsste bereits da sein." Seufzend lehne ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe, lass es aber gleich wieder, da es sich anfühlt, als würde gleich mein Kopf zerschmettert werden.
„Du wirst ihr alles aus deiner eigenen Sicht erzählen, okay? Du wirst auf alles antworten, was sie fragen wird."
„Ja. Dass es Jacksons Freunde waren, die mich angegriffen haben, während ich auf dem Weg in die Bibliothek war, um mir die Bücher, die mich näher an mein Ziel bringen könnten, genauer anzuschauen."
Das ganze Internat besteht aus Ghulen.
„Sie wird sicher nicht erfreut darüber sein."
Ich brauche diesen dämlichen Raumplan nicht mehr, ich habe das Geheimnis gelüftet.
„Das weiß ich. Aber keiner hat gesagt, dass diese Mission einfach sein wird."
Es hat auch keiner gesagt, dass dir der Schlüssel zum Erfolg von einem Ghul höchstpersönlich übergeben wird, der dazu auch noch dein Liebhaber ist.
„Trotzdem hättest du vorsichtiger sein müssen."
Ich nicke, verdrehe dabei meine Augen. Ich bleibe still, bis wir in eine Straße abbiegen und auf einen Wald zusteuern. Nachdem wir lange über den unebenen Waldboden gefahren sind, wir uns sicher sein können, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist, stoppt mein Mentor den Wagen, ehe wir auch schon aussteigen.
„Da seid ihr ja endlich."
Die eiskalte Stimme lässt mich so sehr aufschrecken, dass ich mich instinktiv in einen Homunkulus verwandle und mich in eine Kampfposition stelle. Im nächsten Moment weiß ich auch schon, dass die Stimme der Herrin gehört, sodass ich mich entspanne. Jedoch ist sie plötzlich verschwunden. „Was-" Ich werde zu Boden gerissen, sodass ich schmerzerfüllt aufstöhne. Wäre ich kein Homunkulus, sondern ein Mensch, täte das sicherlich mehr weh, allein weil mein Krankenhausbesuch noch nicht allzu lange her ist. Dadurch dass ich auf dem Boden liege, ist mein Blick Richtung Himmel gerichtet. In meinem Blickfeld erscheinen die Herrin und Caspar. „Los, aufstehen." Ich mache, was mir die Herrin sagt, richte mich auf und verbeuge mich sofort. „Guten Ta-" Ich werde grob am Kinn gepackt, bevor die schwarzhaarige Herrin meinen Kopf auch schon nach oben reißt. Das meinte Caspar wohl damit, dass sie nicht erfreut darüber sein wird, wenn ich ihr sage, dass ich fast umgekommen wäre. Während ich zähneknirschend versuche den Schmerz zu ignorieren, steht dieser lediglich neben uns und beobachtet resigniert das Geschehen. „Ich habe dich nicht auf dieses Internat geschickt, um dich von Ghulen töten zu lassen!" Bei ihrer knallharten und lauten Stimme zucke ich zusammen und traue mich nicht, ihr in die Augen zu schauen. „Schau mich gefälligst an!" Ich hebe meinen Blick und schaue in ihr wutentbranntes Gesicht. Lange kann ich das jedoch nicht machen, denn im nächsten Moment lässt sie auch schon mein Kinn los, drückt mich auf die Knie und packt sich meine Haare. Erneut durchfährt mich ein Schmerz. „E-es tut mir leid", sage ich laut. „Ich will wissen, was genau passiert ist und was zum Teufel dich dazu getrieben hat, so unvorsichtig durch die Welt zu spazieren!" Ihr knallharter Blick mit den schwarz gefärbten Augen, den zusammengezogenen Augenbrauen und dem dominanten und harten Auftreten schüchtern mich extrem ein. „Los!", ruft sie ungeduldig und zerrt an meinen Haaren, die sich schon längst aus dem lockeren Zopf gelöst haben. Das dunkelblaue Haargummi, das mir Lisa geliehen hat, liegt nun einsam auf dem schmutzigen Boden.
„Es ist in der Nacht passiert. Ich wollte in die Bibliothek einbrechen und-"
„Was hast du in einer lächerlichen Bibliothek zu verloren? Vor allem mitten in der Nacht?", schreit die Herrin sauer. „I-Ich habe dort Bücher über Homunkuli und Ghule gefunden. Jedoch kommt man nicht einfach so an sie ran, deswegen wollte ich sie mir heimlich anschauen. Auf dem Weg dorthin wurde ich angegriffen."
„Von wem? Wer waren diese Ghule?"
„Es waren Jacksons Freunde. Sie wollten sich an mir rächen, da ich ihn getötet habe."
Die Herrin scheint für einen kurzen Moment überrascht zu sein, das bedeutet, dass Caspar ihr dieses Detail noch vorenthalten hat. „Es waren sechs Stück, ich hatte keine Chance. Es tut mir leid!" Erneut zerrt sie an meinen Haaren und ich habe das Gefühl, dass sie mir bald die Haare ausreißen wird. Sie lässt los, tritt mich gegen die Schulter, sodass ich nach hinten auf den Boden falle, was ziemlich wehtut. Beim Aufprall verziehe ich mein Gesicht, versuche jedoch stark auszuehen. Bei meiner jämmerlichen und unterlegenen Pose ist das aber ziemlich schwer. Sie beugt sich über mich, während sich mein Atem verschnellert.
Hättest du dich nicht auf die Seite deiner dämlichen Ghul-Freunde gestellt, könntest du sie beruhigen, indem ihr sagst, dass du bereits deine Beschattung beendet hast, da du nun weißt, dass sich an dem Souls-Internat fast nur Ghule befinden, sodass dieses vernichten werden kann!
„Sechs Stück? Sechs? Für solch einen Homunkulus, wie dich hätte das kein Problem sein sollen, aber zum Glück hast du es am Ende doch noch geschafft, einigermaßen zu entkommen." Verwirrt blicke ich kurz zu Caspar, der mir zuzwinkert. Er hat ihr also nichts davon gesagt, dass ich von meinen Mitbewohnern gerettet wurde?
Danke, Caspar! Das erspart mir viel Ärger!
Innerlich atme ich erleichtert aus. Wenn ich ihr auch noch hätte sagen müssen, dass mich unsere Vielleicht-Feinde retten mussten, hätte ich mich zu Grund und Boden schämen müssen. Die Herrin richtet sich wieder auf, allerdings traue ich mich nicht, mich wieder aufzusetzen. „So etwas wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich! Ich werde diese Mission erfolgreich abschließen und mich nie wieder in solch eine Gefahr bringen!", gebe ich von mir. Die Herrin holt tief Luft, wirft mir einen letzten vernichtenden Blick zu, nickt jedoch. „Das hoffe ich für dich. Das nächste Mal solltest du mehr aufpassen, um mich nicht noch einmal wütend zu machen! Das nächste Mal möchte ich Ergebnisse! Hast du mich verstanden, Margareth?" Ich nicke hektisch, ehe sie sich auch schon von Caspar verabschiedet und ohne ein weiteres Wort verschwindet. Somit lässt sie meinen Mentor und mich nach diesem kurzen und schockierenden Gespräch wieder alleine.
Schwer atmend liege ich noch eine Weile da, ehe mich mein Mentor hochzieht, ich das Gespräch von gerade eben durch meinen Kopf gehen lasse und gestresst durchatme. Verdammt. Ich stecke viel zu tief drin, als dass ich da noch heil rauskommen könnte, ohne andere zu verletzen. „Lass uns zurück fahren", meint Caspar, „ich hab dir ja gesagt, dass sie wütender sein wird als ich." Ich klopfe mir den Dreck von der Hose, bin jetzt schon dabei eine Ausrede für meine Mitbewohner zu finden, da sich mich sicherlich fragen werden, warum ich so dreckig bin und schnaufe etwas belustigt.
„Das hast du. Ach und danke, dass du ihr nichts davon erzählt hast, dass ich gerettet werden musste. Was hast du ihr gesagt, als sie davon erfahren hat, dass ins Krankenhaus gebracht werden musste?"
„Dass du dich selber drum gekümmert hast, während du am Verbluten warst und fast kreppiert bist."
Ich lache etwas. „Danke, Caspar."
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Fake Mission [BTS FF]
FanfictionValerie wird beauftragt ein Internat zu beschatten und sich als jemanden auszugeben, der nicht ihrem wahren Charakter entspricht. Dass sie dabei ihre sieben Mitbewohner, die sie belügt, ins Herz schließt war allerdings nicht geplant und auch nicht d...