Prolog

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Es regnete und die Wolken hingen schwer und tief über dem Himmel Irlands.
Passend, für einen solchen Tag. Es war, als würde der Himmel weinen und auch sonst die ganze Welt in Trauer versinken.
Selbst die Glocken, der kleinen Kapelle auf dem Friedhof, läuteten dumpf, träge, monoton. Ja beinahe traurig.
Genauso, wie die Gesichter der kleinen Gruppe von Menschen aussahen, die durch den Friedhof schritt.
 
An den Händen ihrer älteren Geschwister Savannah und John, lief Alice, erst zarte sechzehn Jahre alt, hinter den Männern mit dem Sarg her.
Ihren Weg säumten unzählige keltische Kreuze. Teilweise verwittert, windschief und von der Natur, die sich schon Jahrzehnte an ihnen zu schaffen machte, bereits so abgenutzt, dass nicht einmal mehr die Innschriften zu lesen waren.
Keiner nahm Notiz davon und betrachtete die mystische Schönheit, die von ihnen ausging.
Die Gruppe blieb zwischen neuen Kreuzen und einfachen Grabsteinen, vor zwei Löchern in der Erde, stehen. Tief, schwarz und dunkel.
Alice Gesichtsausdruck, als die Särge ihrer Eltern in die Tiefe gelassen und dann für immer mit Erde zugedeckt wurden, war leer, ausdruckslos und in die Ferne gerichtet, ohne dort jedoch etwas zu fixieren.
Die ganze Andacht, jedes einzelne, auch an sie gerichtete Wort, jedes Lied, jeder einzelne Regentropfen, ja und sogar die kälte, die sich unter ihre Kleider kroch, alles drang, wie von ganz weit her und durch Watte hindurch, zu Alice. Keine einzige Träne verließ ihre Augen. Kein Zucken, dass eine Art Gefühl erahnen ließ. Es wirkte kalt und genauso monoton, wie der letzte Glockenschlag, der über den Friedhof hallte.
Als würde dies alles über Alice hinweg ziehen, wie weiße Schäfchenwolken, an einem sonnigen, blauen Frühlingshimmel, ohne jegliche Spuren zu hinterlassen.
Doch tief in Alice Inneren, tobte ein Sturm der Gefühle und hinterließ tiefe Furchen auf ihrer Seele. Innerlich schrie sie, während sich der Stachel des Schmerzes, brennend immer tiefer in ihr Herz bohrte, um dort stecken zu bleiben. Nach draußen, drang keines dieser Gefühle, auch wenn sie es versuchten.
Es war als hätte Alice Trauer, alle ihre Türen an die Oberfläche, verschlossen. Um sich vor diesem tobenden Orkan zu schützen und ihn im Zaum zuhalten, damit Alice nicht kläglich zusammen brach und in ihm unterging.
So sah keiner, wie Alice langsam aber sicher, Tag für Tag, an ihrem eigenen Schmerz zu Grunde ging.

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