Kapitel 31

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„Erzählst du mir jetzt deine verrückte Geschichte?“
„Willst du dir das und mich, wirklich an tun? Ich bin nicht, wie es der äußere Schein vielleicht vermuten lässt.“
Conner atmete tief durch. Warum hatte dieses wundervolle Geschöpf bloß eine so schlechte Meinung von sich? Sah sie denn wirklich nicht, wie liebenswert sie war?
Alice sah es Conner an, dass er nicht noch einmal darüber diskutieren wollte. Also ließ sie ihre Worte und seine stumme Reaktion darauf, einfach so stehen.
„In diesem Haus hier, wohnten unsere Eltern, bevor es uns gab. Danach, war es ihr Liebesnest.“ Alice schüttelte lachend den Kopf. „Wir hatten alle keine Ahnung. Ich war schon immer fasziniert von dem Haus, weil es so voller Magie und Zauber steckt. Als Kind, verbrachte ich viel Zeit im vorderen Teil des Gartens und...“, ein leichtes Lächeln, legte sich über Alice Gesicht, welches von Traurigkeit, Sehnsucht, Schmerz und Wehmut in ihren Augen, abgeschwächt wurde und eine andere Bedeutung erhielt.
„Auf jeden Fall, bin ich an dem Tag, nachdem ich bei dir übernachtet habe, etwas spazieren gegangen und stieß wieder darauf. Es hat die ganzen Jahre überdauert. Conner, kannst du dir das vorstellen? Niemand hat sich nach dem Tod meiner Eltern darum gekümmert und doch steht es noch.“ Alice ging, irgendwie rastlos wirkend, im Garten auf und ab. „Ich meine, der Garten war schon damals verwildert und alles sah eher heruntergekommen aus. Aber vielleicht war das auch Absicht. Keine Ahnung. Ich...ich kann sie ja nicht mehr danach fragen.“ Verstohlen, wischte sich Alice, mit dem Ärmel ihres Pullovers, übers Gesicht.
Conner stellte sich hinter sie und strich ihr beruhigend über die Arme.
Alice eingesperrtes Verlangen nach Nähe, Zuwendung und noch vielem mehr, kämpfte sich gerade wieder einmal, erfolgreich an die Oberfläche. Ohne auch nur einen Gedanken an irgendetwas zu verschwenden, lehnte sie sich an Conner und schloss die Augen. „Würdest du mich bitte mal ganz doll festhalten?“ Sprach Alice die Worte aus, bevor der Wunsch danach, bewusst bei ihr angekommen war.
Ohne etwas darauf zu erwidern, schlang Conner seine Arme, genauso wie sie standen, um Alice und hielt sie so fest er konnte und er ihr nicht wehtat. Er spürte, dass sie wahrscheinlich im weitesten Sinn, auch von sich sprach und nicht nur von diesem Haus. Um Alice, hat sich die letzten zehn Jahre, scheinbar auch niemand mehr gekümmert, wie sie es gebraucht hätte. Dennoch stand sie immer noch da. Im Gegensatz zu dem Haus, mit einer äußeren Fassade, die nicht erahnen ließ, was sich im Innern für ein verletztes Wesen verborgen hielt.
„Danke!“ Kam irgendwann, leise von Alice.
„Nicht dafür, Süsse.“ Conner küsste Alice Locken.
Alice versuchte sich zu sammeln und wieder zu sich zu finden. Warum zum Teufel, fiel ihr dies, in Conners Gegenwart, so verdammt schwer? War es wohlmöglich die alte Alice, die sich hier ihre Freiheit wieder zu erkämpfen versuchte?
„Wie hast du es erfahren?“
Alice löste sich aus Conners Umarmung. „Als ich Savannah vom Haus erzählte, kam ihr etwas in den Sinn, was sie in einer der Kisten, in denen die Dinge unserer Eltern aufgehoben sind, mal gesehen hatte. Keine Ahnung, wie sie darauf gekommen war, denn es hatte, auf den ersten Blick, rein gar nichts mit dem Haus zutun.“ Seufzend setzte sich Alice unter den Baum, ins Gras. „Es war lediglich ein Umschlag. Doch was darin stand, hatte es in sich.“
„Und was stand darin?“ Conner hatte sich mittlerweile, ebenfalls im Schneidersitz, gegenüber von Alice hingesetzt.
„Es war...eine Art Testament. Ihr letzter Wille oder wie man dies auch immer nennt. Niemand wusste davon oder hatte damals die Kraft, diesen einen Umschlag zu öffnen. Bis er dann in Vergessenheit geriet.“ Alice betrachtete ihre Hände, die von Conners umschlossen wurden. „Viel, was wir nicht schon wussten oder ahnten, stand nicht darin. Einfach etwas detaillierter, was die 'Besitztümer' angingen.“ Ohne es bewusst zu tun, fing Alice an, mit ihren verschränkten Händen zuspielen. „Der Pub ging, würde es hart auf hart kommen, an John. Unser Zuhause, an Savannah übergehen. Eigentlich hatten wir, oder besser gesagt, Savannah und John, schon genauso gehandelt, ohne zu wissen, was sich unsere Eltern einmal wünschen würden.“
„Und was ist mit dir?“ Alice hob den Blick von ihren Händen und breitete die Arme aus. „Das gehört dir?“
Alice nickte beinahe schon ehrfürchtig. „Meine Mum...sie wusste, was mir dieser Ort bedeutete und...“ Alice stockte und anstatt weiter zusprechen, zog sie etwas aus ihrer Hosentasche hervor. „Sie hat jedem von uns einen Brief geschrieben. Ihre letzten Worte an uns, falls sie es einmal nicht mehr tun konnte.“
„Deiner ist noch zu.“ Bemerkte Conner und musterte Alice.
Sie nickte. „Ich...ich habe einfach noch nicht die nötige Kraft aufbringen können, ihn zu lesen.“
Conner hatte nur eine wage Ahnung, was Alice ihm damit sagen wollte.
„Doch jetzt bist du da und ich...wahrscheinlich ist es viel zu viel verlangt...“ Das konnte sie Conner nicht zu muten. Was hatte sie sich auch dabei gedacht, Conner damit zu belasten? Tief in sich drinnen, wusste Alice jedoch, dass sie es nur mit Conner an ihrer Seite, die nötige Kraft hatte, die letzten Worte ihrer Mutter zu lesen.
Dieser griff wieder nach Alice Händen und hinderte sie daran, auf zustehen und weg zulaufen. „Sag mir was du möchtest, Alice. Statt wieder weg zu laufen und mich von dir zustoßen.“ Durchdringend, sah er sie dabei an.
Alice atmete tief durch. „Würdest du den Brief mit mir...ich meine...Ich kann das nicht alleine.“
„Ich bin da für dich. Immer. Das weißt du doch.“ Conner sah Alice fest an, bis sie nickte. „Du hättest mich auch einfach fragen können.“ Liebevoll lächelte Conner Alice an und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich habe verlernt, auf andere Hilfe angewiesen zu sein und nach dieser zu fragen.“ Alice Blick, mit dem sie Conner ansah, war voller Unsicherheit.
Was hatte dieses wundervolle Wesen, die letzten zehn Jahre, nach dem Tod ihrer Eltern, wohl alles erlebt? Seine Eltern zu verlieren allein, war eine traumatische Erfahrung. Doch das weitere Leben, auf das sie sich einließ, musste einige Lektionen für Alice bereitgestellt haben, die sie scheinbar nicht sehr gut weggesteckt hatte.
„Dann werden wir das gemeinsam wieder lernen. Ok?“ Conner legte seine Hände an Alice Wangen und sah sie eindringlich an, bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. Einen Moment verharrte er so mit geschlossenen Augen. Er hatte sich bereits komplett an diese Frau verloren.
Erst als Alice ein Seufzen entwich, löste sich Conner von ihr und forderte sie stumm auf, den Brief zu öffnen.
Mit leicht zittrigen Fingern, öffnete sie den Umschlag und faltete das Papier darin auseinander. Ein Ausdruck, voll von tiefer Liebe und Zuneigung, war in Alice Augen zusehen, dabei strich sie liebevoll über die, von Hand geschriebenen Zeilen. Mamas Schrift, würde sie aus Tausenden wieder erkennen. Sie war besonders. Künstlerisch und schwungvoll.
Jetzt würde Alice gleich, ihre letzten Worte an sie persönlich lesen und ihr dadurch noch einmal nahe sein. Wie sollte sie das durchstehen, ohne zusammen zu brechen? Beinahe verzweifelt, suchte Alice Conners Blick, um sicher zugehen, dass er auch immer noch da war.
„Ich bin bei dir“, sagte er leise.
Conners Blick war so unglaublich liebevoll, dass Alice am liebsten darin versunken wäre. Sie sah ihm dabei zu, wie Conner sich neben sie setzte und an den Baum lehnte.
„Soll ich dich festhalten, während du liest?“ Fragend sah Conner Alice an. Ihre Angst vor diesen letzten Worten, war deutlich zu sehen. „Na dann komm.“ Conner machte Alice Platz zwischen seinen Beinen. So konnte sie sich bequem an ihn lehnen. Er selber hatte die Möglichkeit, Alice festzuhalten, wenn sie den Boden unter sich verlor.
Alice atmete mit geschlossenen Augen tief durch. Die Nähe von Conner tat ihr gut.

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