Kapitel 105

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Alice genoss die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie und dem Mann, den sie liebte. Seit Weihnachten, saßen sie nie mehr alle zusammen an einem Tisch. Damals war Conner ihr Anker, dass sie den Abend überhaupt überstand. Zuviel, war davor passiert und Alice fühlte sich noch immer nicht wirklich angekommen. In ihrem Innern, herrschte damals eine gewaltige Unruhe. Da war einerseits ihre Vergangenheit, die sie umfasst hielt und Alice nicht wusste, wie sie es ändern konnte. Auf der anderen Seite, löste Conner Dinge in ihr aus, die neu waren und sich gut anfühlten, weil sie ein bisschen dazu betrugen, das Schlechte zu verdrängen. Wenn sie es, zu der Zeit, auch noch nicht zugeben wollte und sich immer noch dagegen wehrte.
Heute war alles in Alice etwas geordneter. Wenn auch die Liebe immer wieder hohe Wellen schlug und alles durcheinander brachte. Dennoch wich diese unangenehme Unruhe, einer entspannteren Ruhe. Dank Conner an ihrer Seite, schlief Alice jede Nacht ohne Albträume, was ihren Allgemeinzustand unterstützte. Fühlte sie sich vor ein paar Wochen und Monaten, innerlich gehetzt, auf der Flucht und immer noch auf der Suche nach dem richtigen Ort, an den sie gehörte, war dies nun einem Gefühl des angekommen sein gewichen. Nicht nur, dass Alice nun endlich spürte, dass kein anderer Ort als Ballyconneely ihr Zuhause war. Es war viel mehr, dass sie sich selber nun gefunden hatte. Zumindest viele Teile davon, die Alice vermisst hatte und erst in den letzten Wochen wieder so richtig kennenlernte. Conner machte all diese Gefühle komplett.
Alice umfasste seine Hand und sah in all die Gesichter der Menschen, die sie liebte und schätzte. Dabei fühlte sie sich endlich wieder voll und ganz angekommen. Nicht nur körperlich war Alice nun wieder Zuhause, sondern auch physisch. Ihr Herz und ihre Seele, waren nun auch dort angekommen, wo Alice Körper war. Nach zehn Jahren, waren alle drei endlich wieder im Einklang. Um nicht die ausgelassene Stimmung zu zerstören, die nun nach dem Essen herrschte, vergrub Alice ganz kurz ihr Gesicht im Ärmel von Conners Pullover. Atmete ein paar tief durch und sog seinen Duft in sich auf.
Conner, der immer wieder zu Alice sah, konnte sehen, dass sie nicht mehr wirklich mitbekam, was um sie herum geschah oder geredet wurde. Ihrem Lächeln nach zu gehen, waren es jedoch schöne Gedanken, in denen Alice versunken war. Mit einem Kuss auf ihre Haare, legte Conner den Arm, um seine Liebste. „Geht es dir gut?“, fragte er flüsternd. Mehr als ein Nicken, bekam er nicht als Antwort. Als Alice ihn darauf jedoch ansah und er in ihre Augen sehen konnte, reichte Conner dies vollkommen aus. Mit einem Kuss auf ihre Stirn, ließ er von ihr ab, damit sie sich wieder ihren Gästen widmen konnten.
Je mehr Zeit verging, desto leichter wurde Alice ums Herz. So viel Spaß, hatte sie, seit ihrer Kindheit nicht mehr, mit ihren Geschwistern. Das sie dabei nicht nur immer wieder von Conner beobachtet wurde, bemerkte sie nicht.
Savannahs Herz quoll beinahe über, wenn sie ihre kleine Schwester an sah. Heute sah sie zum ersten Mal wieder die kleine, süße, lebenslustige sechzehnjährige Alice, die damals von Lebenslust nur so überschäumte. Sie liebte damals das Leben so sehr, dass sie jeden um sich, mit dieser Euphorie ansteckte. Savannah hatte sich immer Vorwürfe gemacht, dass sie als Älteste, nicht dafür sorgen konnte, dass die Familie nicht auseinander fiel. Wäre der Pub nicht gewesen und John nicht genauso wie ihr Vater, die Pflichtbewusstheit in Person, hätte sie ihn bestimmt auch verloren. Sie kam auch nicht an ihn ran. Doch John musste sich mit ihr arrangieren. Als Sean auftauchte, wurde es besser. Savannah war nicht mehr nur darauf fixiert, wenigstens den einen Teil ihrer Familie, der ihr geblieben war, zu halten. Was ihre Beziehung zu John etwas entspannte und sie auch mal über die Vergangenheit reden konnten. Bevor ihr dies bei Alice gelingen konnte, war diese weg. Sie hatten immer ein gutes, schwesterliches Verhältnis, jedoch nie so eng, wie das zwischen Alice und John. Nach dem Tod ihrer Eltern, änderte sich alles schlagartig. Erst im Nachhinein wurde Savannah bewusst, dass sie zu sehr die Mutterrolle für Alice übernahm, statt einfach die große Schwester zu sein, die das selbe Schicksal erlebt hatte und genauso litt. Es war ein Fehler, gegen den Savannah zu der Zeit jedoch machtlos war. Sie konnte Alice die Mama nicht ersetzte, was sie auch nicht wollte. All die Jahre, hatte sich Savannah deswegen Vorwürfe gemacht, die ihr sowohl John, als auch Sean versuchten zu nehmen. Irgendwann tat dies auch Conner. So ziemlich vergebens.
Doch nun, war ihre Kleine wieder da. Am Anfang gingen die Sorgen jedoch weiter und Savannah musste aufpassen, nicht wieder in die besorgte Mutterrolle zu fallen. Alice hätte sofort abgeblockt. Savannah spürte schnell, dass sie eine große Schwester brauchte. Eine Freundin. Die wollte sie endlich für Alice sein. Von da an, klappte das Verhältnis zwischen ihnen beiden gut und wurde nun mit der Zeit, immer besser.
Seit Alice Conner in ihr Leben gelassen hatte, kamen auch wieder Seiten an ihr von früher, immer mehr zum Vorschein. Savannah konnte es in ihren Augen sehen. Da war wieder dieser ganz bestimmten Glanz, den Alice vor zehn Jahren verloren hatte. In diesem Moment, da sie so gemütlich zusammensaßen, blitzte er wieder auf. John erzählte eine Anekdote aus ihrer Kindheit, in die Alice mit ihren Ergänzungen mit einstieg. Ausgelassen und fröhlich, entwich ein Lachen ihrem Mund. Es war wie früher. Savannah hatte ihre kleine Schwester wieder zurück. Doch nicht nur das.
Sie alle, waren endlich wieder ein richtige Familie, die sich auch danach anfühlte.
Diese Erkenntnis und wie sehr Savannah das alles, all die Jahre gefehlt hatte, überrumpelten sie gerade mehr als unerwartet. Abrupt stand sie deshalb auf und flüchtete mit einem, „Ich brauche frische Luft.“, auf die Terrasse. Erst bei der Sitzecke und damit außer Sichtweite, blieb Savannah stehen. Schwer atmend, ließ sie sich auf die Mauer sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das dabei Tränen ihre Augen verließen, konnte Savannah nicht verhindern. Viel zu lange, hatte sie diese, immer wieder zurückgehalten, um stark zu bleiben. Für alle anderen ihrer Familie. Mit dem heutigen Abend, konnte sie dies nun getrost von sich schütteln. Sie hatten nun wieder einander, um gegenseitig stark zu
sein.
Sean wollte seiner Frau hinterher, als John ihn am Arm zurück hielt. „Warte. Ich werde nach ihr sehen.“ Vielsagend, sah er Sean an, der nickte. John ahnte, was eben über seiner Schwester herein gebrochen war. Ihn plagte es auch bereits den ganzen Abend.
Zwei fragende Augenpaare, sahen Sean an, als John ebenfalls verschwunden war.

„Es ist wegen mir. Habe ich recht?“ Alice seufzte und ihr Blick wurde traurig. „War dieser Abend, doch keine gute Idee?“ Verzweifelt, sah sie zu Sean und dann zu Conner.
„Es war genau richtig. Glaub mir, Alice. Auch wenn du gerade im Moment das Gefühl hast, dass es das nicht ist.“ Sean schenkte Alice ein liebevolles Lächeln und legte seine Hand auf ihre. Dabei warf er Conner, der gerade ziemlich hilflos zu sein schien, einen aufmunternden Blick zu. „Savannah und John haben sich unglaublich auf diesen Abend gefreut, nachdem Weihnachten ja nicht gerade das freudigste Familienfest war. Es ist wohl einfach für beide nicht ganz einfach, mit ihren Emotionen, die derzeit über sie hinweg rollen, um zu gehen. Das hier alles, dachten sie für immer verloren zu haben. Genau wie dich. Zehn Jahre dachten sie, dich nie mehr wieder zu sehen. Dann, auf einmal, tauchst du endlich wieder auf, was beide vor Freude ausflippen lässt. Die erste Euphorie ließ jedoch schnell nach, als Savannah und John merken, dass du zwar hier bist, aber ihre kleine Alice, die sie vor zehn Jahren, mit dem Tod eurer Eltern, verloren hatte, es definitiv nicht mehr zu geben scheint. Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließen, hatten beide daran zu knabbern.“ Conner bestätigte Seans Worte mit einem Nicken. John brauchte damals, mal wieder einen Abend, mit dem besten Freund und einer Flasche Wein. „Beide mussten sie sich damit abfinden und zurecht kommen, dass sie nun eine erwachsene, veränderte, kleine Schwester zurück hatten. Und du wahrscheinlich nie mehr die Alice werden würdest, die du mal warst. Sich diese Tatsache einzugestehen, ist nicht einfach. Und ich weiß nicht, ob sie überhaupt schon so weit waren, als du diesen tollen Kerl da, endlich in dein Leben gelassen hast.“ Sean zwinkerte Conner zu. „Dadurch machte alles, wenn auch in kleinen Schritten, eine 180 Grad kehrt Wendung. Das weißt du ja selber. Savannah hat geweint vor Freude, als sie mir von den Fotos mit dem Ballkleiderzählte, die du ihr gezeigt hast. So habe ich meine Frau schon lange nicht mehr erlebt. Und dann heute deine überraschende Einladung. Sie erstaunte beide ebenso sehr, wie sie sich darüber freuten. Sie führte zu all den wunderbaren Momenten hier, als Familie. Ich meine, dass rührt selbst mich und ich wusste nicht, wie du früher warst. Es ist jedoch unglaublich mit an zusehen, wie du dich in den letzten Monaten verändert hast. Alice ist wieder da, würden deine Geschwister wohl sagen. Und dies ist es, was sie gerade, im positiven Sinn, etwas aus der Bahn wirft.“
Alice war sprachlos. Allein die vielen Worte von Sean, der sonst eher der ruhige Zuhörer war. Zum anderen ihre Geschwister. Aus dieser Perspektive, hatte Alice das alles noch gar nicht betrachtet.

John hatte Savannah, während dem, schnell gefunden. Ohne etwas zu sagen, schloss er seine große Schwester in seine Arme. Ließen gemeinsam diese Welle, über ihnen herein brechen.
„Wir hätten wohl auch jetzt, etwas mehr zusammen reden sollen.“ Lächelte John und strich Savannah ein paar Tränen aus dem Gesicht, als der erste Sturm vorüber war. „Wir haben unsere kleine Ali wieder. Und sie hat jemanden, der nun auf sie Acht gibt.“
Savannah atmete tief durch und nickte.
„Und ich, habe meine Familie wieder. Die Einzige, die mir noch geblieben ist.“ Nachdem Sean Alice seine Sichtweise eröffnet hatte, die ihr so gar nicht bewusst gewesen war, hielt sie nichts mehr im Haus.

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