Kapitel 149

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Alice stellte sich ans Fenster. Immer wieder strich sie sich über ihre kribbelnden Lippen. Obschon der Kuss nicht annähernd so war, wie die, die Conner und sie immer austauschten, war er gerade jedoch ihr Highlight.
„An was denkst du, Süsse?“ Conner hatte sich auf das Sofa gesetzt und beobachtete Alice, wie sie gedankenverloren aus dem Fenster sah.
„Ans Küssen und wie wir es geliebt haben. Nicht genug davon bekamen. Und wie unglaublich gut du küsst, wenn du es richtig tust. Ich glaub ich freue mich gerade auf unseren ersten richtigen Kuss.“ Alice drehte sich zu Conner um und ihr Blick sagte ihm viel mehr, als es ihre Worte taten. „Doch davor, wäre es gut, wenn wir uns noch etwas unterhalten.“
„Über was?“, fragte Conner.
„Wieso fragst du mich nie was über die Zeit, als Brian mich entführt hat?“ Alice setzte sich auf eines der breiten Fenstersimse.
„Möchtest du das denn? Was soll ich fragen? Wie es war?“ Conner sah Alice fragend an. „Ich kann mir vorstellen, dass es die Hölle oder schlimmer war. Dazu brauche ich keine Details. Allein deine äußeren Verletzungen und das du auch innerlich, nicht weniger erheblichere Verletzungen hattest, reicht mir als Wissen.“
„Ich habe in der Therapie mit auf den Weg bekommen, dass es wichtig ist, mit den Menschen darüber zu sprechen, die mir nahe stehen. Aber ich verstehe auch, dass du das nicht hören willst.“
„Es geht mir nicht nur um mich. Ich möchte nicht, dass du immer wieder alles aufwirbeln musst. Ich kenne dein Buch, Alice. Und ich…ich kann mir viel zu gut vorstellen, dass es um einiges schlimmer gewesen ist. Aber ich höre dir zu, wenn du darüber reden möchtest.“
„Keine Ahnung, ob ich das möchte. Aber vielleicht würde es uns gut tun, wenn wir über diese Zeit sprechen. Du hast mich beim ersten Mal danach auch besser verstanden.“
„Es ist aber nicht mehr so, wie damals. Ich brauche dich nicht mehr besser zu verstehen. Das tue ich doch schon. Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich es überstehe zu hören, wie dieser Scheisskerl dir weh getan hat. Allein die Vorstellung, was er alles mit dir anstellt, während dem einen, viel zu langen Monat, hat mich schier wahnsinnig gemacht und war unerträglich. Ich fühlte mich so hilflos, wie noch nie in meinem Leben.“
„Genau darüber, müssen wir sprechen. Über unsere Gefühle, während den letzten Monaten. Vor allem du über deine, solltest du mir gegenüber nicht für dich behalten. Ich hatte nicht vor, die Details zu erzählen. Das würde ich dir, mir…uns und unserer Beziehung nicht antun.“
„Warum willst du, dass auf einmal alles so schnell hinter dich bringen? Lass dir doch etwas Zeit. Was ist mit, langsam angehen und erst einmal schauen, wie es ist wieder hier zu sein?“
„Mit langsam angehen, meinte ich nicht, dass ich nicht mit dir reden will. Als wir hier ankamen, war so mein Gefühl, dass es richtig ist, langsam vorwärts zu gehen. Nun ist eine Woche vergangen, in der sich zwischen uns nichts getan hat. Heute hatte ich das Bedürfnis schneller zu gehen. Vielleicht hat es sich morgen erneut geändert. Damit müssen wir wohl einfach klar kommen. Außerdem, ob du es glaubst oder nicht, aber dieses Mal war ich etwas weniger resistent gegenüber meiner Therapie und hab tatsächlich gelernt, wie gut reden tut. Auch wenn es zuerst schmerzlich ist. Das ist mir mit Savannah und auch heute mit dir, noch viel bewusster geworden. Ich merke erst jetzt, durch die Zeit hier mit dir, wie sehr mir fehlt, was wir hatten. Auch wenn es nicht vorbei ist, hat es sich dennoch verändert. Ich frage dich, ob ich hier hoch darf.“ Alice war wieder aufgestanden. Sie fühlte, wie sie gerade in einen unglaublich aufgewühlten Zustand schlidderte. Einer, den sie von den letzten Monaten nicht in dieser Form kannte. In solchen Momenten musste alles raus, was ungefiltert durch Alice hindurch wirbelte. „Du holst dir meine Erlaubnis, um mich zu küssen. Das ist doch scheisse. Ich will mich, dich und uns wieder zurück. Ohne Hemmungen und Fragen, die eigentlich überflüssig sind, wären wir ein normales Paar. In mir herrscht seit heute Morgen und vor allem, seit ich hier bin, ein riesengroßes Chaos. Von, mir mein Leben wieder zurück holen, bis zu, eine Vollbremsung hinlegen, weil mein Kopf mich vor einem Crash warnt, den es bestimmt nicht geben wird, ist alles mit dabei. Ich mag diesen Zustand ganz und gar nicht. Es fühlt sich so gut an in deiner Gegenwart, dass ich mich dem kaum entziehen kann. Auch wenn ich es war, die es langsam angehen wollte. Gleichzeitig ist da immer noch diese Hemmschwelle, die mich hindert, komplett los zu lassen und mich vollkommen in deine Liebe fallen zu lassen. Obschon ich spüre, dass es das ist, was ich brauche und es das einzige ist, was mir helfen wird. Ich will dich doch einfach wieder lieben, Conner. Und für dich da sein, weil es mir weh tut, wie du dich einmal mehr quälst, weil du dich so sehr nach meiner Nähe und Liebe verzehrst.“
Conner staunte immer wieder über Alice vielen Worte, die so klar ihren Gemütszustand beschrieben. Diese Therapie hatte ihr tatsächlich viel gebracht. „Du musst dich nicht für mich beeilen, Alice. Ebenso wenig musst du es tun, um meine Bedürfnisse zu befriedigen.“ Alice schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Was?“ Wollte Conner wissen.
„Hörst du dir auch mal zu? Hat dir dein Therapeut nicht eingebläut, auf dich zu schauen und deine Gefühle nicht hinten anzustellen?“
Conner nickte nur ganz leicht. Natürlich hatte er das. Es fiel ihm nur so unglaublich schwer, vor allem wenn es um Alice ging, sich und seine Bedürfnisse und Gefühle, nicht hinten anzustellen, sondern in den Vordergrund und an erster Stelle zu stellen.
„Warum hörst du dann nicht auf ihn und auch auf dich? Du bist ein hoffnungsloser Fall, McCallum. Zumindest was dein ausgeprägtes Helfersyndrom angeht.“ Alice hatte sich vor Conner gekniet. „Was brauchst du, jetzt genau in diesem Moment? Sag es mir.“
„Das du dich neben mich setzt und du mich in den Arm nimmst.“ Conners Stimme, wurde gegen Ende immer leiser. Ungeteilte Nähe, war sein größtes und lautestes Bedürfnis.
„Das war doch gar nicht so schwer.“ Alice lächelte, während sie sich neben Conner setzte. „Komm her, Großer.“ Zog sie ihn in ihre Arme. „Ich habe es gewusst, bevor du etwas gesagt hast.“, flüsterte Alice in Conners Ohr und küsste seine Haare. Es war ganz deutlich zu spüren, dass ihr Band, welches sie immer schon verband, nicht zerrissen war. Bei Conners Besuch, gab es bereits deutlich Anzeichen dafür, die an diesem Morgen kaum mehr zu ignorieren waren. Die kleinen, unscheinbaren Momente, in denen sie vergaßen, was passiert war. Wenn Alice ihr Vorhaben, langsam zu gehen, immer und immer wieder verwarf und einfach ihren Gefühlen folgte und zwei Stufen auf einmal nahm. All das zeigte ganz deutlich, dass Alice und Conner einander brauchten, um vollständig heilen zu können. Vor einem Jahr war er es, der Alice half, alles zu verarbeiten und dadurch zu heilen. Nun hatten sie es so gut es ging, mit professioneller Hilfe aufgearbeitet, um es verarbeiten zu können. Doch dies, mussten sie gemeinsam tun. Ohne, dass sich einer zurücknahm, aus Rücksicht auf den anderen. Alice wurde dies erst so wirklich bewusst, als Conner ihr sagte, dass nichts was sie hatten, zerstört wurde. Wären sie bereits verheiratet gewesen, hätte Brians irre Tat, auch nichts daran geändert.
Sie mussten nun einfach, nach den Monaten getrennt zu sein, wieder lernen, gemeinsam zu gehen. Alice musste dadurch lernen, Schritt für Schritt ihre Hemmschwelle, Conner gegenüber, zu überwinden und hinter sich zu lassen. Was rein gar nichts mit ihrer gemeinsamen, sexuellen Intimität zu tun hatte. Sondern damit, darauf zu vertrauen, dass ihr Herz sie zu den richtigen Dingen anleitete. Conner dagegen mussten lernen, dass er genau so wichtig war, wie Alice. Er hatte, wenn man es genau nahm, auch eine Art Hemmschwelle zu überwinden. Die seiner Bedürfnisse und ihnen nachzugehen, ohne immer Rücksicht auf Alice zu nehmen.
„Ich möchte es für uns beide. Weil wir für einander da sein sollten. Und nicht nur einer für den anderen. Vielleicht möchte ich einfach auch mal wieder für dich da sein, wie jetzt gerade. Damit vernachlässige ich mich nicht. im Gegenteil. Wahrscheinlich tue ich mir damit auch etwas Gutes. Um meine Hemmschwelle zu überwinden.“ Alice ließ ihre Finger durch Conners Haare gleiten. Es war diese Vertrautheit, die sie einfach handeln ließ. Dazwischen lag dieser kleine, aber gut überwindbare Graben, den anderen zu schützen. „Warum fällt es dir auf einmal so unglaublich schwer, von mir etwas anzunehmen, was du ganz offensichtlich brauchst? Ich weiß doch, dass du es genießt, wenn du dich fallen lassen kannst. Wie sehr du das hier liebst und brauchst. Schon immer gebrauchst hast. Ich hab nichts vergessen, Conner. Nicht deine Liebe, wie du küsst und auch nicht, wie unglaublich es jedes Mal war, mit dir Sex zu haben.“
Der Kuss, den Alice in seine Haare drückte, war so voller Liebe, dass Conner ein genießerisches Seufzen nicht verhindern konnte. Wie sehr, hatte er das vermisst. Alice Nähe und vor allem auch, sich einfach in diese fallen zu lassen. Sie hatte mit allem recht, was sie sagte. Es ging nur Hand in Hand und in dem sie für einander da waren.
„Du musst mich vor nichts schützen. Was ich erlebt habe, war viel traumatischer, als die Ehe mit Brian, da gibt es nichts daran zu leugnen. Dennoch merke ich mit jedem Mal, wenn ich mit dir Zeit verbringe, dass sich in mir, was meine Gefühle oder das Vertrauen in dich angeht, nichts verändert hat. Weshalb es vielleicht sogar besser ist, mich nicht zu schonen, sondern einfach auch mal ins kalte Wasser zu schmeißen. Ich will nicht in Watte gepackt werden. Das hast du noch nie gemacht. Mach es jetzt auch nicht. Ich werde dir sagen, ob ich etwas will oder es zu schnell geht. Mein Kopf wollte mich daran hindern, zu dir zu kommen. Ich bin froh, dass ich nicht auf ihn gehört habe. Denn ich spüre, dass es absolut nicht zu schnell geht. Das ich bereit dafür bin, meine Hand in deine zu legen und in deinem Tempo weiter zu gehen, so lange du nicht einen Sprint mit mir hinlegen willst.“ Alice entwich über ihre eigene Wortwahl, ein Lachen. „Ansonsten rast die Zeit wieder an uns vorbei und ehe wir uns versehen, ist das Jahr vorbei und wir stehen vielleicht immer noch am selben Ort. Das will ich nicht. Ich möchte mit dir Weihnachten und Silvester feiern, als Paar. Ohne verklemmt zu sein. Diesen einen Monat in diesem Jahr, werden wir so schnell nicht vergessen können. Dagegen stehen jedoch unzählige schöne Tage und Monate, die wir erlebt haben und noch erleben können, bevor das Jahr zu Ende ist. Weshalb ich nicht zu lassen will, dass es mich so lange gefangen hält, wie mich zwei Jahre Ehe, festhielten und an so vielen wundervollen Dingen in meinem Leben, hinderte. Ich hätte so viel mehr Zeit mit…“ Alice wurde von weichen und warmen Lippen unterbrochen, die sich auf ihren Mund legten. „…dir gehabt, hätte ich mich viel früher von seinen Fesseln befreit. Das wird mir nicht noch einmal passieren. Jede Sekunde mit dir, ist zu kostbar, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.“, nuschelte Alice an Conners Mund, der immer noch nah bei ihrem war. „Eine Woche war schon zu viel Zeit ohne dich. Ganz zu schweige von den fünf Monaten davor.“ Alice leicht kühlen Hände, lagen an Conners warmen Wangen, die förmlich zu glühen schienen. „Ich will keine weitere Woche mehr verstreichen lassen, ohne dich und deine Liebe. Ich brauche beides. Mein Herz verzehrt sich so sehr nach dir.“ Ohne weiter über ihr Handeln nachzudenken oder noch ein Wort zu verlieren, umschloss Alice Conners Mund mit ihren Lippen. Forderte diesen einen Kuss, der ihr innerstes zum explodieren brachte. Er brachte die letzten Knoten zum platzen. Das angenehme Ziehen in ihrer Brust, ließ Alice spüren, dass das Band zwischen ihr und Conner wieder unzerstörbar zusammenhielt. Die kleinen Risse heilten.
Conner seufzte in den Kuss hinein und verstärkte seinen Griff um Alice. Alles in und um ihn, drehte sich. Ihr zierlicher Körper schmiegte sich an seinen. Dabei strich sie immer wieder von seiner Wange in die Haare und wieder zurück.
„Ich wusste doch, dass wir das besser können.“ Grinste Alice, als sie sich so weit von Conner zurück zog, dass sie wieder atmen konnte.
„Du bist verrückt, Callahan.“ Ein kehliges Lachen, entwich Conners Mund. „Hast du keine Angst?“ Er küsste sich über Alice Haare, als sie sich fest an ihn geschmiegt hatte.
„Doch. Eine scheiss Angst. Aber nur, dass sich alles, was ich heute so intensiv fühle, morgen wieder ändern könnte.“ Alice atmete tief durch.
„Können wir was dagegen tun?“
Alice setzte sich auf, legte ihren Kopf auf ihren Arm, der auf der Rückenlehne des Sofas ruhte und sah Conner gefühlt eine Ewigkeit einfach nur an. Dabei strich sie ihm immer wieder durch die Haare. „So viel Zeit wie möglich mit einander verbringen. Vor allem heute. Dinge zusammen machen, die für uns normal waren. So wie hier sitzen und uns einfach genießen.“
„Das wird mir nicht sehr schwer fallen. Ich verbringe mit niemandem lieber Zeit, als mit dir. Außerdem hast du recht. Wir haben schon viel zu viel Zeit ohne einander verbracht.“ Conner strich über Alice rosigen Wangen. Legte seine Hand an ihren Rücken und streichelte sich von dort hoch, bis zu ihren Haaren und wieder zurück. „Als du in der Küche standest und Frühstück machtest, stellte ich erschrocken fest, wie sehr mein Leben und der Alltag ohne dich, zur Normalität geworden ist. Ohne, dass ich es merkte. Das macht mir eine scheiss Angst. Denn eigentlich kann ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen und doch passiert es einfach so, dass man mit dem Umstand leben kann. Das will ich nicht.“ Er näherte sich mit seinem Gesicht, dem von Alice. Doch statt sie zu küssen, wie sie es erwartete, legte Conner seine Lippen an die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr.
Alice schloss genießerisch die Augen und neigte ihren Kopf etwas mehr zur Seite. Das Kribbeln in ihrem Körper, wollte kaum noch enden und wurde immer stärker. Der Kuss und Tanz ihrer Zungen, der auf Conners Liebkosungen folgte, war zärtlich, ja beinahe schüchtern. Langsam, gaben sie sich einander hin. Als würden sie sich das erste Mal, auf das hier einlassen. Es war noch nicht lange her, da wäre aus dieser süßen Knutscherei, viel mehr geworden und sie hätten sich, hier an Ort und Stelle geliebt. Daran, war noch nicht zu denken. Conner zeigte auch keine Anzeichen, dass er jetzt gerne mehr wollte. Alice spürte lediglich, wie er diesen Augenblick bis tief in sein Herz genoss und dort hinein packte, um ihn fest zu halten. Dabei musste es in seiner Hose ganz anders aussehen. Alice wusste nur zu gut, wie er immer auf ihre Küsse reagiert hatte.

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