„Was ist passiert?“, rief Savannah aus, als Conner mit Alice auf dem Arm, vor der Tür stand. Seine Augen waren rot unterlaufen und glänzten. Conner drückte ihr lediglich den Brief in die Hand und trug Alice nach oben.
Savannah erkannte sofort die Schrift ihrer Mutter und konnte es nicht fassen, wenn sie richtig lag, mit ihrer Annahme.
Schnell folgte sie Conner in Alice Zimmer.
„Ruhe dich aus, mein Engel.“ Hörte Savannah ihn sagen und sah, wie er Alice einen sanften Kuss auf die Stirn gab.
„Hat sie...?“ Conners Nicken, unterbrach Savannah.
„Ja, hat sie.“ Mit leicht zittrigen Fingern, fuhr er sich übers Gesicht und durch die Haare, während er sich ans Fenster stellte.
„Sie trägt den Brief, seit wir ihn gefunden haben, mit sich herum. Warum gerade heute?“
Conner schüttelte, beinahe wie in Zeitluppe, den Kopf. Dann sah er Savannah entschuldigend an. „Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten, verschwand er ins Bad, um sich eine Ladung Wasser ins Gesicht zu kippen. In der Hoffnung, es würde ihm etwas Linderung, in seinem ganzen Gefühlschaos bringen. Es brachte nichts.
„Was genau tut dir leid?“ Wollte Savannah wissen, als Conner zurück kam. Ließ ihn jedoch nicht zu Wort kommen. „Das du mal wieder da warst, als Alice jemanden gebraucht hat?“
„Es ist eine...Familiensache und ich...“ Sah Conner zu Savannah.
„Spielt es eine Rolle, wer bei Alice war? Hauptsache, sie war nicht allein damit. Und außerdem, wann kapierst du endlich, dass du auch zur Familie gehörst?“
Conner spürte, dass seine Stärke, mit diesen Worten nun völlig am Ende war und er wartete nur darauf, jeden Augenblick zusammen zu brechen.
„Conner?“ Alice Stimme, hielt Conner davon ab.
„Ich bin hier. Schlaf ein bisschen.“
„Sing mir noch einmal mein Elfenlied vor. Bitte.“ Matt griff Alice nach Conners Hand.
„Wenn ich dein Elfenlied kennen würde, wäre es mir eine Freude. Doch leider...“ Conner strich über Alice Haare. „Ich kenne es nicht, Süsse.“
„Aber das tust du doch.“ Unterbrach Alice ihn.
Conner sah fragend zu Savannah.
„Erinnerst du dich an das Schlaflied, welches du ihr, vor ein paar Wochen, vorgesungen hast?“ Ein Kloss, fing sich an, in Conners Hals zu bilden. „Dies, ist Alice Elfenlied. Mama, hat es ihr immer vorgesungen.“, sprach Savannah weiter.
Conner war es, als würde ihm jemand eine schallende Ohrfeige verpassen, damit er begriff, was hier vor sich ging. Ganz deutlich, sah er die Schrift von Alice Mutter vor seinen Augen und hörte sich ihre Worte vorlesen, welche sie über dieses Lied geschrieben hatte. Dabei lösten sich die aufgestauten Tränen, ohne dass er eine Chance dagegen gehabt hätte. Lautlos, ließ er sie gewähren und den Weg aus seinen Augen, über seine Wangen rinnen. Conner vergrub sein Gesicht, dicht neben Alice, in ihrem Kissen. Als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, hob er kurz den Kopf. Durch einen Tränenschleier, sah er in Savannahs Gesicht. Ihr Blick war fragend.
Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Brief, welchen sie immer noch mit ihrer Hand umklammert hielt. „Letzte Seite...fast...gegen...Ende…“, war alles was Conner nur mühsam hervor brachte, da seine Stimme dazwischen, immer wieder versagte.
„Bitte Conner.“, nuschelte Alice noch einmal im Halbschlaf.
Wie gerne, hätte er jetzt für seinen Engel gesungen, damit es ihr besser ging. Doch er konnte nicht. Die Tränen, hatten Überhand von ihm genommen und ließen seinen Körper, zu einem bebenden Berg werden. „Ich kann nicht...“, schluchzte er leise und strich Alice übers Haar. „Tut mir leid, Kleines.“
Nur Bruchstücke, bekam Alice mit, was um sie geschah. Sie war einfach viel zu erschöpft, ausgelaugt und traurig, um die Kraft auf zubringen, ganz und gar, an den Geschehnissen teil zunehmen. Alles was sie wahrnahm, war Conner und diesen Wunsch, noch einmal ihr Elfenlied, von seiner tiefen, warmen Stimme zuhören. Gerade jetzt, spürte sie ihn ganz nah bei sich. Seine Wärme und sein Duft, umgaben sie. Alice lauschte seiner Stimme und seinem Atem. Beides hörte sich jedoch nicht so an, wie sonst auch. Conners Stimme war undeutlich, beinahe nur ein Flüstern. Sein Atem ging unregelmäßig, ja beinahe stockend. In dem Augenblick, zog sich Alice Herz zusammen. Weinte er etwa?
Sie brauchte sich nur leicht zudrehen und schon konnte sie sich ganz nah an Conners Oberkörper, der halb auf ihrem Bett lag, schmiegen.
Als Conner Alice Berührung spürte, seufzte er erleichtert auf. Es schien, als wolle sie ihn fest an sich ziehen. Was er auch sogleich zuließ und sich zu ihr aufs Bett legte. Nichts, brauchte er gerade mehr, als Nähe und das Gefühl geliebt zu werden. Auf welche Art und Weise auch immer. Sofort kuschelte sich Alice warmer, zarter Körper an seinen Rücken. Ihren Arm, legte Alice um Conners breiten, muskulösen Körper und ihre Hand, verschränkte sich vorne mit seiner. Die freie Hand, glitt in seine Haare und fuhr immer wieder beruhigend hindurch. Alice Kopf, legte sie an Conners Schulter ab. Conner vernahm, wie durch einen Nebel, welcher alle Geräusche stumpf werden ließ, Alice liebliche Stimme.
„Lay down your head, and I’ll sing you a lullaby. Back to the years, of loo-li lai-lay...“ Conner legte ihre beiden verschränkten Hände unter sein Gesicht und zog Alice dadurch noch etwas näher an sich heran. Er wollte sie und ihren Herzschlag, jetzt einfach ganz nah bei sich spüren. Dabei schüttelte es seinen Körper erneut. Eine etwas tiefere, jedoch nicht weniger lieblich klingende Stimme, kam zu der von Alice hinzu, die zu beben anfing. Savannah hatte sich vor das Bett gekniet und strich sanft durch Conners Haar und über seine Wangen und damit ein paar Tränen aus seinem Gesicht.
„Du bist derjenige, der sie von nun an finden wird.“, flüsterte Savannah und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Anstatt zu trocknen, wurde die Tränenflut stärker. Was war bloß mit ihm los? All die Jahre, hatte er wunderbar mit diesem Teil in sich gelebt. Conner hatte ihn begraben, ignoriert und mit allerlei Unnützen versucht aus zufüllen oder zu betäuben. Doch heute, als er die Worte von Alice Mutter hörte und las, brach etwas ihn Conner zusammen. Alice hatte die Liebe ihrer Eltern, die er selber nie vermochte zu spüren, verloren. Was für ein unbändiger Schmerz, musste es sein, wenn man diese Liebe von einer Sekunde auf die andere verlor, wenn es ebenso schmerzte, sie niemals bekommen zu haben.
„Ich hab dich lieb, mein Lebensretter.“, hauchte Alice, während Savannah weiter sang. Dabei gab sie Conner einen sanften Kuss auf die Wange und ließ ihren Kopf, ganz nah bei seinem liegen. Genau in dem kleinen und unscheinbar wirkenden Moment, wusste Conner, dass er Alice brauchte. Mehr, als er es sich zuvor überhaupt vorstellen konnte. Mehr, als er jemals jemanden gebraucht hatte oder dachte zu brauchen.Conner erwachte wenig erholt und doch irgendwie mit einem guten Gefühl. Die Wärme die ihn umgab, fühlte sich vertraut an. Augenblicklich erinnerte sich Conners noch müdes Hirn daran, dass er bei Alice auf dem Bett lag, als ihn seine sonst so mentale Stärke verließ. Er musste hier eingeschlafen sein. Dicht bei Alice. Conner müsste sich einfach auf die andere Seite drehen, um sich fest in ihre Arme zu kuscheln, die immer noch schützend um ihn lagen. Die Sehnsucht danach war riesen groß. Seit gestern noch mehr, als Conner endlich mal von einer Frau erfahren hatte, dass er als Mann, auch mal schwach sein durfte. Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl. Dennoch gab Conner seinem Drang nicht nach. Er wollte Alice nicht wecken. Dafür schloss er noch einmal seine Augen und genoss ihre Nähe an seinem Rücken und die Hände auf seiner Brust. Jeden Tag so aufzuwachen, dagegen hätte Conner nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Diese ungeteilte Nähe und Geborgenheit, vermisste Conner bereits seit einiger Zeit. Sie zu bekommen, machte ihn nur noch hungriger danach.
Die sanfte Berührung in seinen Haaren, holte Conner aus seinen Gedanken und Gefühlen. Tief atmete er durch, als Alice Atem seinen Nacken streifte.
Alice spürte Conners Herz unter ihrer Hand, kräftig und schnell gegen seine Burst schlagen. Es sagte ihr, dass Conner ebenfalls wach war. Alice war dies schon eine Weile. Doch wollte sie weder Conner wecken, nach dem er gestern endlich unter Tränen eingeschlafen war. Noch diesen Moment der Nähe zu unterbrechen.
„Bist du wach?“, flüsterte Alice. Zur Antwort bekam sie nur ein Nicken. „Hast du gut geschlafen?“ Alice konnte ihre Finger nicht davon abhalten, durch Conners Haare zu streichen. Sie spürte einfach, dass ihm das gut tat.
Conner konnte sich gerade noch mit größter Mühe, ein Seufzen verkneifen.
„Würdest du dich zu mir umdrehen? Bitte Conner.“ Alice vergrub ihr Gesicht an Conners Rücken und sog seinen unverkennbaren Geruch in sich auf. Er war ihr, in den letzten Wochen, beinahe schon so vertraut geworden, wie der ihrer Geschwister oder ihr eigener.
Conner räusperte sich und setzte sich auf. Auch wenn er sich dafür aus Alice Armen lösen musste. Diese setzte sich ebenfalls auf und sah Conner besorgt an. Sein Anblick, mit den müden und immer noch leicht roten Augen, schmerzten Alice Herz. „Tut mir leid, Conner.“ Betreten senkte Alice ihren Blick.
Conner legte seine Hand unter Alice Kinn, um es anzuheben. „Lass das schlechte Gewissen, Alice. Du hast einen Freund gebraucht und das bin nun mal ich.“ Ein leichtes Lächeln, umspielte Conners Mund. „Auch wenn du dich immer wieder dagegen sträubst.“
„Den Besten, den ich haben kann.“ Wiederholte Alice Conners Worte, die er ihr letztens gesagt hatte. „Dennoch hätte ich dir das nicht zu muten dürfen. Ich...“
„Schscht…“ Conner unterbrach Alice, als sie wieder dabei war, ihr schlechtes Gewissen kund zu tun. Sachte ließ er seine Finger durch Alice Haare gleiten.
Alice seufzte und schlang ihre Arme um Conners Hals. Sofort vergrub dieser sein Gesicht an ihrem Hals und zog Alice dicht an sich heran.
„Danke warst du, einmal mehr, für mich da. Ich bin unglaublich froh, war ich nicht alleine.“
„Ich möchte nicht einmal daran denken, wie es gewesen wäre, wärst du es gewesen.“ Bei diesem Gedanken, überkam Conner eine Gänsehaut. „Weißt du, was das Schlimmste war?“
„Nein. Was?“ Alice löste sich von Conner und sah ihn fragend an.
„Das ich deine Schmerzen beinahe spüren konnte. Und dabei einfach so verdammt Machtlos war. Ich hatte das Gefühl, dir mit nichts helfen zu können.“ Conner fuhr sich über die müden und immer noch brennenden Augen.
Alice legte ihre Finger um Conners Handgelenke und zog seine Hände von seinem Gesicht weg. Was sie sah, versetzte ihr einen Stich. Tränen. Diese schönen, Meerblauen Augen, waren gefüllt mit schweren, heißen Tränen. Was hatte sie getan? 'WAS', schrie sie innerlich.
„Du hast so viel mehr getan, als du denkst.“ Sanft, ja beinahe schon etwas unsicher, lächelte Alice und wischte Conner eine entwischte Träne von der Wange.
Seufzend lehnte Conner seine Stirn an die von Alice. Es war das schönste Geschenk, seit langem, dass dieses wunderschöne Lächeln, endlich auch ihm galt. Aufrichtig, echt und scheinbar aus tiefstem Herzen. Endlich durfte Conner Alice Herzlichkeit erfahren und es war einfach nur unbeschreiblich schön. Ein Gefühl, in das man sich am liebsten einfach nur hinein legen möchte, um sich davon einhüllen zu lassen.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomanceDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...